waldgefrickel Geschrieben 7. Juli 2019 Geschrieben 7. Juli 2019 Irgendwann™ hab ich mal großspurig behauptet, dass die Sächsische Schweiz ja quasi mein Wohnzimmer sei. Man sollte vorsichtig sein mit solchen Aussagen, denn sonst kommt irgendjemand™ und nimmt das wörtlich—und ehe man sichs versieht, stehen drei Männer im Wald und haben mehr Spaß, als man das in so einem Reisebericht jemals wiedergeben könnte. Aber von vorne: @Painhunter hat mich im Forum auf obige Aussage angeschrieben und gefragt, ob wir da nicht mal zusammen hingehen könnten, da er da noch nie war. Ich hab zwar noch nie vorher 'Reiseleitung' gemacht, aber hey—irgendwann muss man das ja mal lernen. Komoot raus, Route geplant, noch @bieber1 und @scrummy mit eingeladen (die dann leider kurzfristig nicht konnte) und der grobe Plan stand damit fest: es geht in die hintere Sächsische Schweiz, ein bisschen fernab der touristischen Hauptpfade—denn auf Schlange stehen an der Bastei hatte nach kurzer Absprache keiner so wirklich Lust. An einem schönen, regenfreien Wochenende im Mai ist die Sächsische Schweiz zwar zauberhaft schön und alles sprießt und grünt—aber das wissen halt auch viele Andere. Und so trug es sich zu, dass ich an einem Freitagmittag im Mai in Schmilka verwirrt über den Parkplatz gestolpert bin, auf der Suche nach zwei mir unbekannten Herren. Die dann da tatsächlich in der Sonne lagen Kurze Vorstellungsrunde (auf dem Wintertreffen hatten wir uns nur flüchtig gesehen), kurz auf die Karte geschaut und dann zogen Thomas (äh, Steffen), Andreas (äh, Alexander) und Martin (äh, Michael) bergan Richtung Felsen- und Waldparadies. Nach einem kurzen "ruppigen Anstieg"™ ging es dann gleich fernab der Waldautobahnen auf schmalen Pfaden über Wurzeln und Felsen Richtung Rotkehlchenstiege. Eine Spezialität in der Sächsischen Schweiz: wild in den Fels gehauene Treppen, Tritte und Metallbügel über die sich "die paar" Höhenmeter schnell überwinden lassen. Oben angekommen, war dann schnell klar: mir macht das Spaß, die Herren haben Spaß ("Boah Alter, sooo geil!") und die geplante Route und Tempo sind auf jeden Fall realistisch. Vorbei an kleinen Höhlen, Felsvorsprüngen und immer schöner werdenden Aussichten gabs dann erstmal eine kleine Rast am Carolafelsen, inklusive Fotoshooting, Käsekordeln und allerhand Gefachsimpel zwischendurch. Gestärkt und mit 8246 Fotos mehr auf dem Handy haben wir dann das nächste touristische Ziel in Angriff genommen: die Idagrotte. Da auf normalen Wegen ja jeder wandern kann, hab ich kleine Kraxeleien, "tiefste Gangart" und andere Schmankerl mit integriert—mit Erfolg! "Boah, wo führst Du uns denn lang?! Ist ja Mega! Hammer!". Mit ein wenig Überwindung hinsichtlich Höhenangst (gottseidank nicht nur ich!) in der Grotte angekommen war dann schnell klar: datt wird n feines Wochenende! Den Blick immer geschärft hinsichtlich Flora und Fauna gab es reichlich Snacks vom Wegesrand und ich hab viel gelernt, was eigentlich so alles essbar ist! Leider hab ich keine 'ernsthaften Waldbewohner' entdecken können: denn der Deal war, dass Andreas, äh, Alexander, einen meiner Ausrüstungsgegenstände trägt, sobald ich ein Tier entdecke. "Käfer und Spechte gilt nicht!" war aber natürlich OK, denn jeder von uns war mit einem Basisgewicht von unter 3kg unterwegs, zu dritt also insgesamt weniger, als manch andere Wandererin, denen man so begegnet ist. Nach einem wunderschönen Abstieg durch die Affensteine, über Felsen, Wurzeln und schmale Wanderpfade ging es dann auch schon in Richtung erster Lagerplatz. In der Sächsischen Schweiz gibt es das sogenannte 'Boofen'—also geduldetes Freiübernachten im Nationalpark an dafür vorgesehen Stellen. Das sind meist Felsvorsprünge und höhlenartige Stellen, an denen man ganz offiziell übernachten darf. Auf dem Weg zum Nachtlager konnten wir davon schon ein paar begutachten. Ist ne feine Sache: eigentlich kann man bei gutem Wetter sogar ohne Tarp losziehen, aber der Sicherheitssalamander in mir hat das natürlich trotzdem immer dabei. Aber vorher noch: Wasser auffüllen! Und da zeichnete sich dann auch schon ein Problem ab, dass ich vorher nicht mit eingeplant habe: Mitte Mai war schon alles an Quellen oder Rinnsalen, die 3 Wochen vorher noch reichlich Trinkwasser bereitgestellt haben ausgetrocknet. Also: kurzer Abstecher zur etwas ominös anmutenden Kneipe an der Felsenmühle, Wasser aufgefüllt, und zurück bergan zur ersten Boofe. Dort angekommen: Gear-Vergleich, Nestbau und gemeinsames Abendessen, denn wir waren tatsächlich alleine in der Boofe! Schon lustig, wie unterschiedlich wir UL-er dann doch alle sind, was für Vorlieben sich etablieren und was für manchen als essentiell angesehen wird andere garnicht erst dabei haben ("Wie, Du hast kein Kopfkissen?!"). Ich konnte auf jeden Fall noch einiges von "Oppa" lernen, was den Selbstbasteltrieb angeht und "Mega-Man" hat mich mit der Anzahl an Klamotten im Rucksack ("Socken und Jacke, mehr nicht.") doch auch überrascht. Naja, dafür war ich halt "der lange Lulatsch mit den Badelatschen in kurzer Hose"—auch OK Nach noch mehr Fachgesimpel ("Das Kopfkissen wiegt nur 17g, kannste ausprobieren!" oder "Ich trau mich nicht auf die Uberlite zu liegen, die sieht aus als würde sie platzen!" und "Du hast Dir n Pumpsack aus nem Bratschlauch selbst gebaut? Stark!") und guten Gesprächen ging es dann relativ zeitig ins Bett, bzw. bei Martin, äh, Michael sogar in die die Hängematte. Die Nacht war ruhig, um die 8 Grad—und keiner musste frieren. Was einen trotzdem nicht davon abhalten soll, morgens möglichst lange im kuscheligen Quilt zu liegen! Der Geruch von Kaffee oder Tee lockt dann aber doch jeden aus dem Daunennest. Halbwegs ausgeschlafen ging es dann erstmal wieder 'runter' von den Felsen, an weitern Boofen auf schmalen Bergpfaden vorbei. Was sich wegen morgendlicher Orientierungsunfähigkeit und "Ey, letztes Mal war da noch Wald und n Weg" meinerseits als abenteuerlicher und langwieriger rausgestellt hatte als geplant. "Da kommen wir nicht runter". "Da auch nicht". "Mist, Karte verloren. Naja—lass mal zurück gehen". Sorry Jungs Letztendlich haben wir dann aber doch das Zeughaus erreicht, allerdings hatte das noch zu. Also auch: wieder kein Wasser. So wurde der Plan gefasst auf jeden Fall das Belohnungs-Radler am Ende des Tages wahrzunehmen, denn für den Samstag war ein Rundweg geplant, so dass wir eh wieder am Zeughaus vorbeikommen würden. Den schönsten, waldigsten und verwunschenen, wenn auch längsten, Weg nehmend ging es dann in Richtung Hickelhöhle, vorbei am Altarstein und dann zur lang ersehnten Wasserquelle direkt an der Kirnitzsch. Die ausgiebige Mittagspause mit Essen köcheln, Füße kühlen und Wasservorräte auffüllen hatten wir uns dann auf jeden Fall schon verdient. Mangels sinnvoller Infrastruktur ("Hier gibt es leider nur wenig funktionierende LTE-Birken!") und damit ausbleibender Kommunikation mit dem Rest der Welt ging es dann entspannt weiter, Ziel Lindigtblick—also nutzloses Rauf, "Ooooh, geil!", Runter, Weiter. Wie immer halt. Das Ziel war klar, das Ziel wurde erreicht: ein kaltes Radler im Zeughaus. Die nächste Pausenbank war dann unsere und das Nachtlager nicht mehr weit, weshalb wir die Sonne noch genossen und dabei Stöcke und Trinken vergessen haben. Kurzer Sprint zurück, und dann wieder "ruppig bergan" zur ersten Boofe an den Kansteinen. Die war aber schon von reichlich UH-Wanderern belegt, weswegen wir nach einmal Aussicht-Genießen 'ums Eck' zur nächsten Boofe gewandert sind. Keine Aussicht, dafür wunderbare Ruhe, reichlich Platz und Zeit zum Abendessen und Quatschen. Ach: und zum Yoga machen, Diskutieren und Fachsimplen—was auch sonst! Herrlich. Diesmal alle auf dem Boden, müde, erschöpft—aber glücklich. Und dann war auch schon der letzte Tag angebrochen. Nach einer wärmeren ruhigen Nacht mit Blick in den bewaldeten Sternenhimmel ging es dann schon wieder in Richtung Ausgangspunkt nach Schmilka. Aber natürlich nicht, ohne noch den ein oder anderen wilden Pfad oder Aussichtspunkt mitzunehmen! Nach auf und ab, und schon wieder nur versiegten Wasserquellen ging es dann durch borkenkäferzerfressene Waldabschnitte ("Hübsch und hässlich!") in Richtung Heringsloch. Doch auch da: nix. Schon leicht dehydriert nach einem kurzen Schnack mit einem Ranger, den wir getroffen haben, sind wir dann noch auf ein Radler am Winterberg vorbei. Dort gibt es keine Gaststätte mehr, sondern nur noch einen kleinen Kiosk, der (festhalten) 9 Euro für einen Liter Wasser haben wollte. Dieses unverschämte Angebot haben wir dann doch ausgeschlagen und sind einfach weiter. Die letzten Riegel, Nüsschen und Erdnussbutter mampfend dem aufsteigenden, schnaufendem Touristenstrom entgegen ("Wie, ihr habt hier schon 2 Tage draussen geschlafen?!") noch die letzte schöne Aussicht von der Kleinen Bastei genossen, und dann war auch schon Abstieg und vor allem Abschied angesagt. Mit perfektem Timing am Parkplatz in Schmilka wieder angekommen, wurden wir mit Picknick und reichlich Wasser (!) empfangen. Kurz die Füße in die Elbe, und dann war das Wochenende auch schon wieder vorbei. Was ich gelernt habe: - Niedliche Tiere sind in unterschiedliche Kategorien einzuteilen: Schnuffis, Flauschis, Wauzis und noch viele weitere—und wie man diese zuordnet ist nicht trivial! - Alles was aufblasbar ist, kann zu einem Kopfkissen umgebaut werden. Auch Donuts. - Mit kurzer Hose und Sandalen in der Sächsischen Schweiz ist kein Problem, wenn man oft Zecken von den Beinen pflückt und Leukotape dabei hat. - Die 5 Eskalationsstufen einer Wildschweinbegegnung. Nix passiert, aber nun weiss ich was zu tun ist, wenn ich eines sehe - Bäche, die noch vor drei Wochen existierten sollte man nicht als Wasserstelle in der Route einplanen. - LTE-Birken sind rar in der Sächsischen Schweiz. - Eigentlich ist jede Stelle geeignet um sich mit einem Biwacksack hinzulegen - Es geht immer noch leichter, vor allem wenn man viel selbst bastelt - Borkenkäfer sind böse, aber machen schöne Muster. - Die Uberlite hält mindestens zwei Nächte! - Wir ULer sind alle n bisschen bekloppt, aber liebenswert! Vielen, vielen Dank an Michael und Alexander, ein Wiedersehen ist sicher! Banause, MoPe, martinfarrent und 21 Weitere reagierten darauf 22 2
Painhunter Geschrieben 7. Juli 2019 Geschrieben 7. Juli 2019 Das war das beste was ich gehend erleben durfte! Altaaaaaaaaaaa. Kraaaaaasssss! Noch immer bin ich geflashed von den Eindrücken und mein Gesicht schmerzt immer noch vom Lachen. Vergesst die fränkische, vergesst den bayrischen Wald und vergesst einfach alles. In der sächsischen Schweiz hängt der Hammer Leute! Es war unglaublich! Es war überwältigend, es war absolut krass megasuperdupa unfassbar pornogeil! Dieser ganze Doublenighter samt den Leuten und den Gesprächen ist durch nichts zu toppen! Durch gar nichts! Sagte ich schon das es krass geil war? Ich bin absolut vom erlebten überwältigt! @waldgefrickel bester Guide! Die Schuhe... OMG! Die Riegel... Danke Jungs @bieber1für diesen geilen Trip. Will never forget! waldgefrickel, MoPe, masui_ und 1 Weiterer reagierten darauf 4
waldgefrickel Geschrieben 7. Juli 2019 Autor Geschrieben 7. Juli 2019 Hehe, dankedanke, war mir eine Ehre bieber1 und Painhunter reagierten darauf 2
masui_ Geschrieben 7. Juli 2019 Geschrieben 7. Juli 2019 Die sächsische Schweiz ist einfach nur großartig! Schön, dass es auch andere erfahren durften. Ihr scheint ne Menge Spaß gehabt zu haben. Ob @waldgefrickel noch mal so eine Tour abseits der Hauptwanderwege organisiert? waldgefrickel reagierte darauf 1
bieber1 Geschrieben 7. Juli 2019 Geschrieben 7. Juli 2019 Schlisse mich der Antwort von Painhunter megamässig an. Painhunter und waldgefrickel reagierten darauf 1 1 Du weißt nie was Du kannst, bevor du es versuchst.
danobaja Geschrieben 8. Juli 2019 Geschrieben 8. Juli 2019 da hab ich mir grad gedacht: hey, das ist einer der wenigen reiseberichte, der mir trotz fehlender fotos gefällt... da hängen sie auch schon unten dran! top! vielen dank, hab gut mitlachen können. waldgefrickel reagierte darauf 1 PS: alle von mir abgebildeten pics sind selbstgemacht! __________________________________________________________________ you and your wife in the tent and no moisture build up at all --- I don't think you should be bragging about that
waldgefrickel Geschrieben 8. Juli 2019 Autor Geschrieben 8. Juli 2019 vor 21 Stunden schrieb masui_: Ob @waldgefrickel noch mal so eine Tour abseits der Hauptwanderwege organisiert? Klar! Ist immer nur eine Frage der Zeit bei mir :/
Wanderfisch Geschrieben 8. Juli 2019 Geschrieben 8. Juli 2019 Traumhafte Gegend, man muss eben nicht immer in die Ferne schweifen, Abenteuer, (UL)Wandern und Spaß haben geht auch in Deutschland.. Ich war dort vergangenes Jahr (leider) nur für Tageswanderungen, habe aber bei jeder Boofe gedacht... wer hier übernachten darf, hat's gut Danke für den schönen Bericht, bieber1 und waldgefrickel reagierten darauf 2 Liebe Grüße aus dem (Oden-)Wald vom Wanderfisch
Kermit Geschrieben 8. Juli 2019 Geschrieben 8. Juli 2019 hey @waldgefrickel vielen Dank für den absolut tollen Bericht. Kann mich @danobaja nur anschließen. Da ich immer schon mal vor hatte dort unterwegs zu sein, ist die Tour durch deinen Bericht auf meiner Prioritätenliste weit nach oben geklettert. Nachmals vielen Dank. bieber1 reagierte darauf 1
Nero_161 Geschrieben 26. April 2021 Geschrieben 26. April 2021 Mega Bericht! So eine Tour hab ich mit Freunden im Juli ungefähr vor - könnt ihr mir ein paar Tips geben zu den schönsten Routen inkl. Boofen und habt ihr ne Einschätzung wie kalt es dort nachts im Sommer maximal ist? Danke
Joerg_B Geschrieben 18. Mai 2021 Geschrieben 18. Mai 2021 Es gibt ein paar wenige Boofen die echt zugig sind da kann es dann gefühlt mal kühler sein, ansonsten ist es ausgesprochen warm, so dass eine Unterhose und und ein dünnes Flies eigentlich im Sommer genügt. Der Sand und Sandstein schafft es kaum auf die Nachttemperaturen herunter zu kühlen. Ein Matratze braucht man daher nur als Komfortelement mitzunehmen(daher die billigste leichte LuMatra). Wenn man sich mehrtägig abseits des Touristenstroms bewegt, sollte man sich ernsthaft über Möglichkeiten des Wassernachschubs informieren, das Elbi ist im Sommer furztrocken! Im Umkreis der Hotspots ist die Sächsische Schweiz im Sommer insbesondere während der Ferienzeit komplett überlaufen und selbst abgelegene Boofen an Kletterhotspots unterliegen einer Dauerbelagerung durch Kletterer(für die die Boofen eigentlich auch gedacht sind). Ich werde mich im Spätsommer wohl auch nochmal entspannt auf den Forststeig begeben und mal schauen, wie die Wegführung nun tatsächlich geworden ist. Nero_161 reagierte darauf 1
Clemens Geschrieben 18. Mai 2021 Geschrieben 18. Mai 2021 Klasse, toll geschriebener Bericht und schöne Bilder. Da das Elbi quasi auch mein Zuhause ist, geht es kommenden Pfingstmontag noch mal für drei Tage dorthin. Den Forststeig bin ich schon mal gelaufen und fand ihn hervorragend. Deswegen geht’s noch mal 2 Nächte von Königstein bis Bad Schandau.
Nero_161 Geschrieben 21. Mai 2021 Geschrieben 21. Mai 2021 (bearbeitet) Am 18.5.2021 um 21:35 schrieb Joerg_B: eine Unterhose und und ein dünnes Flies eigentlich im Sommer genügt. Kein Schlafsack/Decke? Ist es da nachts wirklich über 20°? Das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, ausser natürlich es ist wieder so ne Hitzewelle. Bearbeitet 21. Mai 2021 von Nero_161
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