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Ultraleicht Trekking

Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Liebe MYOG-Freunde,

ich stelle hier mal mein neuestes Projekt vor. Kein Trekking, sondern Bikepacking, es hat aber trotzdem seinen Platz im MYOG-Forum. Es geht um eine besonders leichte und kleine Fahrradtasche.

Ich bin absolut kein Freund vom Rucksacktragen auf dem Fahrrad - wenn ich mit Rad unterwegs bin, dann soll der Drahtesel das Gepäck tragen, nicht ich selbst. Daher habe ich einen Gepäckträger am Rad. Sucht man nun nach ultraleichten, wasserdichten Taschen, so ist das Angebot sehr klein. Als ULer nehme ich ja nicht viel mit, daher sind die meisten Taschen viel zu groß. Doch selbst die kleinen Vorderradtaschen von Ortlieb (die man ja auch hinten befestigen kann) haben 720g pro Stück. Das Rad wird also mit 1,44 kg belastet, ohne dass man etwas eingepackt hätte.

Das Gewicht von Fahrradtaschen kommt einerseits durch das robuste Material zustande. Daran wollte ich aber nichts ändern, weil die Taschen ja durchaus Belastungen ausgesetzt werden: Das Rad kippt um und fällt auf die Tasche, das Rad wird mit der Tasche an eine kratzige Hauswand angelehnt, im Wald kratzen Zweige und Dornen an der Tasche entlang, usw. Daher habe ich ein 370g/m2 TPU-Nylon von Extremtextil verwendet, was wohl auch Ortlieb für einige Taschen verarbeitet. Durch Wärme lässt sich das gut kleben/verschweißen, sodass wasserdichte Nähte entstehen (siehe unten).

Das hohe Gewicht herkömmlicher Taschen kommt aber auch dadurch zustande, dass die Taschen ein versteiftes Rückenteil brauchen, damit sie nicht in die Speichen geraten können, sowie Haken zum Aufhängen. Diese Plastikteile wollte ich daher durch etwas leichteres ersetzen und habe mir ein Befestigungssystem überlegt, das mit sieben Bändern auskommt, die die Taschenrückseite am Gepäckträger befestigen und gleichzeitig auf Spannung bringen, sodass sie nicht in die Speichen geraten kann:

58bc2a3bbb20b_bnder.thumb.jpg.38efc10cd6f89cdc851f73eeca0b065d.jpg 

Die Bänder bestehen aus dem gleichen TPU-Nylon wie die Tasche und werden einfach auf die Rückseite aufgeschweißt. Zur Befestigung legt man die Bänder dann jeweils um die entsprechende Strebe des Gepäckträgers, führt sie zurück durch den Ovalring und befestigt sie auf sich selbst mit Klettverschluss (der ist hier auf dem Foto noch nicht zu sehen, er wird einfach auf die Bänder aufgenäht, Klett und Flausch direkt nebeneinander).

Dieses Befestigungssystem hat zugegebenermaßen einige Nachteile: Es dauert etwas länger, das am Rad zu befestigen. Die Tasche ist also nicht dafür geeignet, häufig an- und abgemacht zu werden. Mir ist das egal, da ich sie auf einer Tour die ganze Zeit über am Rad lasse. Außerdem passt die Tasche nur für einen konkreten Gepäckträger, taugt also nicht zur Serienproduktion. Das ist bei einem MYOG-Projekt natürlich erst recht egal. Die Konstruktion geht dann wie folgt weiter: 

An das Rückenteil wird ringsum ein Seitenteil geklebt (Breite des Seitenteils oben 12 cm, unten 9 cm, plus Nahtzugabe):

unterseite.thumb.jpg.13001e856896e579cebbaada5a3f8f6b.jpg

 

An die andere Längskante des Seitenteils habe ich sodann ein zum Rückenteil spiegelverkehrtes Vorderteil geklebt:

oberseite.thumb.jpg.53dc1ee0210b129ed63c068e2052f4cd.jpg

Die Ecken sind etwas schwierig zu formen, einen Schönheitspreis bekomme ich dafür nicht ;-) Aber Hauptsache, sie sind wasserdicht...

An der Oberkante habe ich sodann mit starkem Gurtband (20 mm x 1,8 mm) und Steckschließe einen Rollverschluss angenäht:

verschluss.thumb.jpg.7e3c01ec9116ccfcb90206dc8fb1b928.jpg

 

An das Seitenteil kommt hinten noch ein Stück rotes Reflexionsklebeband, auf das Vorderteil ein Stück gelbes. Unter dem gelben Klebeband habe ich bis zum Boden noch ein Stück Stoff aufgesetzt, also das Vorderteil in diesem Bereich gedoppelt. Das hatte ästhetische Gründe, macht die Tasche hier aber auch noch ein Stück robuster (wenn etwas an der Tasche kratzt, dann meist in diesem Bereich):

fertig.thumb.jpg.55ac6868f6d98d8600e381eda3640760.jpg

Mit Blitzlicht sieht das dann so aus ;-)

fertig2.thumb.jpg.cb86b3cf54d6f8e491320710e9bd83bb.jpg

Das Gewicht pro Tasche lag schließlich bei 238g. Im Vergleich mit den Ortlieb-Vordertaschen ist das also nur ein Drittel! Das Kilo, welches ich auf diese Weise gespart habe, kann ich damit mehr an Ausrüstung mitnehmen (oder weniger auf die Berge hoch schleppen). Man könnte noch mal 18g sparen, wenn man die Aufdoppelung weglässt. Das hätte ich auch getan, wenn ich vorher gewusst hätte, dass man nicht nur TPU auf TPU kleben kann (wie es auf der Webseite von Extex steht), sondern auch TPU auf die nicht beschichtete Seite des Stoffes kleben kann.

Falls Ihr Euch für die Verarbeitung interessiert: Auf der Webseite von Extex gibt es eine ganz gute Anleitung (mit dem erwähnten Fehler). Zum Kleben/Schweißen habe ich kein Bügeleisen benutzt, weil das viel zu groß ist, sondern etwas anderes konstruiert:

58bc2b3903b15_ltkolben.thumb.jpg.6a160be1659fed28e50a7f85d64f9764.jpg

Bei meinem 60W-Lötkolben habe ich die Lötspitze entfernt und stattdessen einen 15mm-Stuhlwinkel aus dem Baumarkt angeschraubt. Dieser hat genau die richtige Breite für meine Nähte. Damit muss man so ca. 10 Sekunden über die Stelle fahren, dann wird sie heiß genug und das TPU schmilzt. Anschließend habe ich die Stelle mit dem Kopf eines Hammers gedrückt, damit sie unter Druck auskühlt. Natürlich muss man das vorher ein paar Mal mit den Abfallstücken üben, bis man die richtige Dauer raus hat.

Vielleicht ist das Projekt ja für den einen oder anderen von Nutzen. Ähnlich könnte man sich auch einen Rucksack herstellen, wobei ich hier zu einem leichteren Material tendieren würde.

Fröhliches Basteln

wünscht

Waldradler

 

 

 

Geschrieben

Moin,

Dein Bericht kommt grad zur rechten Zeit, weil ich ähnliches vorhabe und mir schon den Kopf darüber zerbrochen habe, wie ich das mit einseitig beschichtetem TPU hinbekomme.

Gut zu wissen, dass das auch auf der Rückseite klebt.

Eine Frage zu den Kurven hab ich noch.

Hast Du das Seitenteil, was ja in Kurve gelegt wurde ein bisschen geknüddelt oder kleine Dreiecke ausgeschnitten, um keine Überlappungen zu haben?

Vielleicht hast Du ja Lust so eine Ecke mal von innen zu fotografieren.

Achja, hast Du ne Ahnung, wie heiß der Winkel an Deinem Lötkolben geworden ist?

 

Danke für die tollen Infos

Langhals

 

Geschrieben

Moin,

das Material klebt auch auf der Rückseite, wenn man es etwas länger erhitzt. Du kannst ja mal bei Extex fragen, ob das offiziell so ist - vielleicht hat es dann nicht mehr dieselbe Klebestärke. Ansonsten kannst Du es ja auch so realisieren wie ich es hier gezeigt habe. Das ist ja der Grund, warum ich die Vorder- und Rückseite mit TPU nach außen, das Seitenteil dagegen mit TPU nach innen gewählt habe. Hätte ich vielleicht noch klarer beschreiben können.

Bei den Kurven besteht der Trick darin, diese nicht zu eng zu machen. Das Seitenteil habe ich dann in der Tat leicht geknüddelt. Es wirft dann zwar Falten, doch wenn man diese vorsichtig erwärmt, wird das Material ein bisschen dehnbar. Wenn man sich dann sehr geschickt anstellt (das war ich allerdings auch nicht), kann man es in warmem Zustand um die Kurve biegen, sodass es faltenfrei wird.

Hier die Kurve hinten - auch die Befestigung am Rad ist noch mal besser zu sehen:

ecke.thumb.jpg.c5b8e372e329048184159fe33633fe6b.jpg

Vorne habe ich wie gesagt noch ein Stück aufgedoppelt, das auch über die Kurven geht:

eckevorn.thumb.jpg.98967013c6ef2c4934d2dd20f5444ecb.jpg

Das sieht schöner aus und ist nochmal stabiler.

Was den Winkel am Lötkolben betrifft: Ich habe versucht, die Temperatur zu messen, irgendwas zwischen 200 und 300 Grad. Ist aber auch egal, da der Winkel unterschiedlich heiß wird: direkt am Lötkolben ist er natürlich heißer als an seinem Ende. Daher muss man langsam über den Stoff fahren oder den Lötkolben zwischendurch drehen, damit jede Stelle gleichmäßig erhitzt wird. Ich bin über jede Stelle mehrfach gegangen, bis alles fest verklebt war.

 

  • 2 Jahre später...
  • 3 Wochen später...
Geschrieben

Hallo @fb_ , danke für das Lob. Die Taschen benutze ich nach wie vor für mehrtägige Touren. Abnutzungserscheinungen sind bisher kaum sichtbar. Das Material gefällt mir sehr gut. Die Reflexstreifen lösen sich manchmal etwas, aber die kann man leicht erneuern (oder auch weglassen). Fazit: Würde ich noch mal machen.

  • 7 Monate später...
Geschrieben

Hey @waldradler tolle Taschen und super Idee mit der Befestigung. Dadurch kann ja einiges an Gewicht entfallen. 

Hast du noch das Schnittmuster oder kennst die Maße der einzelnen Teile?

Geschrieben

Sieht richtig geil aus! Danke fürs Teilen!

Meine Regel Nummer eins:

"Nimm einfach weniger Sachen mit!!!" 

Geschrieben

Danke für das Lob! Ein Schnittmuster habe ich gar nicht gemacht, es kommt ja auch auf den konkreten Gepäckträger an, für den sie gebaut werden sollen. Ich messe die Tage mal nach und sage dann Bescheid.

 

Geschrieben

Ich habe hier mal ein Schnittmuster für Euch gezeichnet. Es enthält bereits die notwendigen Nahtzugaben (die Teile werden einfach mit 1,5 cm Überlappung aufeinander geschweißt, sodass rechnerisch an den Kanten 0,75 cm Nahtzugabe bestehen). Das lange Seitenteil von 116 cm würde ich ggf. noch etwas länger ausschneiden, dann an den Vorder- und Rückseiten entlangschweißen und anschließend ggf. wieder ein paar cm abschneiden. Nicht dass es sich sonst am Ende als zu kurz erweist... Unten sieht man die Befestigungsstreifen für die Rückseite, die man je nach Gepäckträger auch in Anzahl oder Länge anpassen kann. An der Oberkante der Tasche habe ich den Stoff einfach stumpf abgeschnitten gelassen, hier gibt es daher keine Nahtzugabe (das TPU-Nylon muss nicht gesäumt werden). Danach wird aus Gurtband der Rollverschluss an der Oberkante entlang genäht. Das ist die einzige Naht mit Nadel an der ganzen Tasche (sie schadet nicht, da durch das Einrollen ja Wasserdichtigkeit gewährleistet wird). Die restlichen Nähte sind nur verschweißt und damit ohnehin wasserdicht.

Zusammen mit den obenstehenden Bildern müsste Euch der Nachbau leicht gelingen. Man kann wie gesagt optional auf Vorder- und Rückseite zusätzliche Dopplungen anbringen und/oder die von mir verwendeten Reflektionsfolien. 

Die Taschen sind wie gesagt relativ klein, aber für eine UL-Tour passt alles nötige hinein. Zusätzlich kann man wenn man möchte ja auch noch auf dem Gepäckträger etwas obendrauf festschnallen und/oder eine Lenkertasche benutzen.

Wünsche frohes Basteln!  

Schnittmuster.pdf

Geschrieben

Super @waldradler vielen Dank!

Von der Größe her kommen sie den ortliebschen Frontrollern ja recht nahe. 

Das Prinzip habe ich dank deiner Bilder und Schnittmuster verstanden. 

Geschrieben

Vielen Dank, @waldradler, und eine Frage:

Hältst du es für möglich, (angenommen: deine Voraussetzungen, was Rahmengröße u.ä. angeht) die Taschen noch etwas größer zu schneidern? Ich meine also z.B. hinsichtlich Formstabilität.

lg 

Geschrieben

Klar, man kann sie auch größer machen. Die Formstabilität der Tasche allein ist ohnehin nur relativ gering (sie ergibt sich im Wesentlichen aus dem dicken Material). Man muss die Taschen daher in jedem Fall mit mehreren Bändern am Gepäckträger festschnallen. Wenn man diese Bänder weit genug außen ansetzt, bleibt die Tasche formstabil, sobald sie am Gepäckträger fest ist. Die Größe ist dann egal.

 

 

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