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Ultraleicht Trekking

Trekking in Japan - Tokai Shizen Hodo


questor

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Tja, so schnell ist man wieder im Alltagsstress! Da bin ich doch bald schon wieder einen Monat hier und habe es noch immer nicht geschafft, die Tour revue passieren zu lassen. Wozu so eine Grippe doch gut sein kann - endlich ist es so weit!

Wer Fragen hat, fragt, ansonsten kommen die einzelnen thematischen Abschnitte Stück für Stück.

Vorbereitung:
Gab's nicht viel, der Gedanke ist eher spontan entstanden. Hatte eh geplant, wandern zu gehen, allerdings eher in Richtung Lykischer Pfad. Als dann ein Freund recht kurzfristig für ein paar Monate beruflich nach Tokyo musste und fragte, ob ich ihn nicht in seinem für tokyoter Verhältnisse opulenten Firmenappartment (zwei! Zimmer) besuchen möchte, fing ich ~1,5 Wochen vor Urlaubsbeginn in ein paar freien Momenten an zu recherchieren, ob sich Wandern und Japan nicht irgendwie kombinieren lassen.

Zunächst eher Ernüchterung - ich hatte nicht viel Zeit, im Netz zu forsten, das gros der Infos war auf Japanisch, was ich aus mir zugänglichen Seiten rausziehen konnte, war ein längerer Tempelpfad, der eher nach Jacobsweg und midlife-crisis klang und etliche Tages- und Rundwanderwege, die man nicht mal eben ohne Zeit und Sprachkenntnisse zu einer längeren Route zusammenkombiniert - damn!

Ich war schon kurz davor, mir einzugestehen, dass das ganz so spontan wohl doch nichts wird, als mich @German Tourist auf Liz Snorkel brachte, bei der ich zum ersten Mal vom Tokaido las.
Klang gut, vor allem auch für kurzentschlossene wie mich manageable:
- Nun denn - Tokaido also - Tokyo - Osaka, 1697km
- Gut markiert und präpariert - klingt nicht verkehrt in einem Land, in dem man kein einziges Schild lesen kann
- Kein logistischer Kraftakt, da alle paar Tage Optionen zum aufstocken gegeben sind - auch nicht verkehrt, alles andere wäre nicht mehr planbar gewesen
- Und dazu noch wenig frequentiert, abgelegene Dörfchen, tolle Natur - yay! 

Als ich dann noch über ein minutiös geführtes Blog und vor allem den dazugehörigen GPS Track stolperte, fühlte ich mich einigermaßen in der Lage abzuschätzen, was einen erwartet - und vor allem durch den GPS Track auch beruhigt, was die Sprach- und Schriftbarriere angeht.  Der Trail hat eine Website, wie so viel Info, aber leider nur auf Japanisch, auf Mails wird aber zumindest auf Japenglisch geantwortet.

Also Flug gebucht, so gut es ging noch Infos über lokale Gegebenheiten zusammengetragen, für UL-Verhältnisse eher etwas over the top gepackt (gear review folgt am Ende) und dann ging's auch schon los.
 

Bearbeitet von questor

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Anreise:

Flug:
Alles recht schmerzlos - Flüge sind selbst derart kurzfristig und mit vernünftigen Airlines bezahlbar, wer früher plant oder was Umsteigezeiten oder Abflughäfen angeht leidensfähiger ist, kommt schon um 400€ mal eben nach Japan.

Aus der Luft bekommt man gleich einen ganz guten Vorgeschmack, was einen erwarten würde - ziemlich dünn besiedelt, zerklüftet und eher zivilisationsunfreundlich - super!

DSC_1062.jpg

Shuttle:
Es gibt mehrere Flughäfen, ich bin in Narita gelandet, ~ 80km und 1-2,5h bis Shinjuku Station im Zentrum. Round Trip mit dem Airport Limousine Bus waren wenn ich nicht irre ~40€, was einem direkt wieder in's Gedächtnis ruft, dass Japan bis auf bezahlbare Flüge keine Billigdestination ist. Und auch die die Zeitangabe deutet auf das nächste - wenig überraschende watchout für Tokyo hin - Verkehr! Oberirdisch per Bus und PKW immer etwas unberechenbar.

Ich hatte keinen konkreten Plan, wann ich los auf den Tokaido wollte, aber nach nur wenigen Tagen Tokyo wurde das Bedürfnis nach Abgeschiedenheit doch relativ groß (wobei ich sagen muss, dass Tokyo für eine Megacity erstaunlich ruhig ist - dem japanischen Wesen sei Dank).

Vorab hatte ich mir noch eine prepaid-SIM mit Datenvolumen besorgt. So ganz geheuer war es mir immer noch nicht, mich nicht wirklich verständigen zu können und auch keine Schilder entziffern zu können - das kleine Stück Plastik gab da doch enorme Sicherheit.

Strecke zum Trail:
Da ich zum Wochenende hin gestartet bin, beschloss ich, nicht direkt am Mount Tokao, dem Hausberg Tokyos zu starten, um den Wochenendwanderern, die den Berg vom Hörensagen in Scharen stürmen, zu entgehen und etwas weiter östlich in Fujikawaguchiko zu starten, als Punkt, den man mit ÖPNV gerade noch so erreichen konnte. 

Unterwegs direkt ein paar schöne Blicke auf den Mt.Fuji (von dessen 'Besteigung' mir im Vorfeld eher abgeraten wurde, schlangestehen und -gehen träfe es wohl eher) und die ersten Reiselfelder - zwei Haken auf der Klischeeliste gesetzt!

Fuji.jpg

Japaner sind übrigens hoffnungslose Railway-geeks. Die 25-jährige Partnerschaft mit den ebenso Traingeekigen Schweizern war nur schwer zu ignorieren

railway.jpg

Angekommen in Fujikawaguchiko noch ein letzter Blick auf den Fuji, und auf die Fuji-Q Highlands - einen Vergnügungspark, der wiederum bei den rollercoaster-geeks höchstes Ansehen genießt - mit der steilsten und zwei ehemals höchsten und schnellsten coastern. 

FujiQ.jpg

Dann noch ein letztes Mal wie ich dachte im Bahnhof Gewichtserleichterung betrieben und den beheizten Toilettensitz und den wohltemperierten, variablen Reinigungsstrahl in diversen Modi genossen und los gehts!

Spoiler alert und Lektion eins:
Beheizte, saubere und vollausgestattete Toiletten mit warmem Bidetmodus, auch Washlets gennant, gibt es in Japan wirklich in den entlegendsten Winkeln. Der Azzblaster ist überraschenderweise das erste Teil, dass ich für Japan getrost hätte zu Hause lassen können.

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Nachdem schon per PN gefragt wird, ob ich etwa wieder gesund sei schieb ich doch auf den ruhigen Samstag Morgen direkt noch einen Abschnitt nach. 

Vielleicht noch mal vorneweg um ein bisschen expectation management zu betreiben - ich bin nicht die ganzen 1697km gegangen, sondern war lediglich knappe zwei Wochen unterwegs und habe etwas unter 300km des Trails begangen.

Hier noch mal die Gesamtstrecke in der Gesamtübersicht, ich bin also von Fujikawaguchiko nach Shizuoka, habe mich unterwegs entschlossen, etwas weiter vor zu springen, um noch einen anderen Abschnitt des Trails zu sehen (mehr dazu später) und bin dann mit dem Zug nach Hamamatsu, um von dort bis Toyota (Ja, das Toyota - unspektakulär btw.) weiter zu laufen.
Im wesentlichen teilt sich meine Trailerfahrung auf dem Tokaido also in zwei Abschnitte und bis auf einen kurzen Abschnitt in der Präfektur Yamanashi, auf die zwei Präfekturen Shizuoka und Aichi, nach denen ich die Postings aufteilen werde.

Den Kumano Kodo, den 'asiatischen Jakobsweg' habe ich dann doch noch in ein paar Tagen überflogen als ich einen Tapetenwechsel brauchte, da werde ich auch noch etwas Bonusmaterial anhängen.

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Einstieg
Der Einstieg war leicht zu finden per GPS - und die Beschilderung sollte auch in der Folge bis auf wenige Ausnahmen auch eher over the top sein. Man stelle sich einen schmalen Pfad quer zum Hang vor, bei dem in regelmäßigen Abständen ein Schild mit Pfeilen in- und gegen Laufrichtung den Tokaido ausschildern. Ja was denn sonst? Aber gut. Sollte unerwartet doch jemand vom Himmel auf diesen Pfad fallen, so wüsste er zumindest, dass es sich in beide Richtungen um den Tokaido handelt - 'you never know' und  'better be safe' hat der Japaner definitiv verinnerlicht, besser is!

Umso ärgerlicher, wenn dann dort, wo es nötig gewesen wäre, wie an Abzweigungen, schon auch mal ein Schild fehlt. Aber das ist jammern auf absolut hohem Niveau, hat man noch den GPS Track auf dem Telefon, den man auch nur dann und wann braucht, ist man auf der absolut sicheren Seite, was die Wegführung angeht.

Lesbar auf englsich sind die Schilder allerdings nur selten, zumeist beschränkt es sich auf die Kanji-Zeichen und oder das Trail Logo - beides hat man aber schnell verinnerlicht, sodass die Sprachbarriere für die Wegführung eigentlich keine Rolle spielt. 

Sign.jpg

 

Wegzustand
Yamamatsu uns Shizuoka sind wohl, wie ich irgendwann erfahren habe, der älteste Teil des Tokaido - und wohl auch im schlechtesten Zustand. Alles noch mehr oder minder begehbar, keine Sorge, aber dann und wann schon etwas zweifelhaft. Die Elemente in Japan sind doch etwas unbarmherziger als anderswo.

 

- Feuchtigkeit setzt jeglicher hölzernen Infrastruktur übel zu.

Bench.jpg

signmoss.jpg

 

Während das bei den zahlreichen Bänken und Tischen (teilweise alle paar hundert Meter - absurd, wenn das die einzige Infrasruktur ist) weniger relevant ist, wird es bei Brücken und Hangabstützungen schon spannender. Mangels alternativen bleibt einem allerdings oft nur die Hoffnung auf Wahrscheinlichkeiten 'ach die wird doch nicht gerade jetzt bei mir nachgeben'  

Bridge.jpgBridge2.jpgPath.jpg

 

Auch Erdrutsche, wahrscheinlich ebenso durch Feuchtigkeit und auch das ein- oder andere Erdbeben begünstigt (auch ich bin ein mal etwas geschaukelt, der Japaner ist dran gewöhnt) hat man vor allem in diesem Teil des Trails recht viel. Beim ein- oder anderen frischen Geröllfeld bin ich im Nachhinein schon froh, dass nichts groß passiert ist.  
Während es meist nur endlos mühsam ist, sich über die Erd- und Gesteinsrutsche zu arbeiten bin ich ein mal tatsächlich ganz gut samt Geröllfeld gen Abhang gerutscht, konnte mich mit Füßen an Bäumen verkeilen und mir rollte dann noch ein recht großer Findling von weiter oben zum Glück nur gegen den Rucksack, der bäuchlings auf Kopfhöhe gerutscht war gegen selbigen und nicht die Birne. Hat immerhin ein paar Löchlein ins Außennetz 'gerammt' - besser als in die Schädeldecke...

  

Auch für 'Sicherungsseilen' braucht man schon ein gehöriges Maß an Gottvertrauen...

rope.jpg

rope2.jpg

 

Aber wenn man bedenkt, wie menschenleer der Trail ist, ist es vielmehr erstaunlich, dass er so gut markiert und ausgebaut ist und nicht längst sich selbst überlassen wurde. Es scheint auch eine ganze Menge privatinitiative zu geben, diesen Weg zu erhalten, den zumindest vom Namen her scheinbar wirklich jeder kennt und ein ehrfürchtiges 'aahhhh Tokaido!' ausstößt, wenn man berichtet, wo man gerade herkommt. Im späteren Verlauf bin ich sogar an handgemalten und -getöpferten Schildern vorbeigekommen

signpaint.jpgpottery.jpg

Der Trail ist wortwörtlich menschenleer - ich habe bis auf eine Bergkuppe mit Tagesausflüglern in Vollmontur (Der Japaner tut nichts ohne Proequipment, keinen Tageswanderausflug, da ist alles abgestimmt, vom Socken bis zum Handschuh) in all der zeit zwei! Leute getroffen (ein deutsches Paar mit den üblichen großen Deuter-Rucksäcken und eine zierliche Amerikanerin mit gigantomanem Osprey Taschenrucksack), die den Trail gegangen sind!

 

 

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Präfektur Yamanashi & Shizuoka: 

Der Tokaido führt zunächst am Fuji entlang, sodass man immer noch mal einen hübschen Blick erhaschen kann. Ich muss wohl Glück gehabt haben, angeblich versteckt er sich ja fast immer etwas schüchtern hinter Wolken, aber ich hatte doch immer wieder, wenn er irgendwo um die Ecke kam einen schönen, unverhangenen Blick. Ob aus dem Wald heraus vor Kohl- oder Reisfeldern, mit seiner ästhetischen Symmetrie, die die Japaner bei jeder Gelegenheit abfeiern ist er schon wirklich ein dankbares Fotomodel.

Fuji.jpgfujicloud.jpgfujikohl.jpg

 

 

Weg und Steigung
So zog es sich also, wie eigentlich überall entlang der Strecke hauptsächlich durch Wald, über mäßige Berge (über 12-1400m liegt man eigentlich nie) die Grate entlang, wenn man sich denn hochgeschuftet hat (die Anstiege sind trotz der mäßigen Maximalhöhen nicht ohne) und spätestens alle zwei bis drei Tage durch ein Dörfchen oder Städtchen, meist auch mit Resupply. Gerade der erste Teil ab Tokyo, Yamamatsu und der Anfang Shizuokas sind relativ steil, man macht ganz gerne mal 1000 Höhenmeter am Tag. Kombiniert mit recht schwülwarmer Luft habe ich diese Anstiege ganz gut verteufelt

Anstieg1.jpgAnstieg4.jpg

 

 

Der Japaner baut dann auch ganz gerne noch Stufen oder gar Treppen ein, die es nicht unbedingt angenehmer machen, die Höhenmeter abzuspulen...

stairs2.jpgstairs3.jpgstairs.jpg

 

 

Wenn man dann oben zumindest mit Sicht belohnt wird, macht das vieles schon wieder wett.

View2.jpgView.jpg

 

Die ersten zwei Tage hatte ich in der Tat wettermäßig Glück. Viel Herbstfärbung gab es im Oktober allerdings noch nicht, Japan ist da etwas später dran, erst gen Ende Oktober zeigten sich langsam die Anfänge. Schade, aber dafür war ich on Trail eigentlich durchgehend mit T-Shirt und kurzer Hose (und ggf. Arm- und Beinlingen) unterwegs.

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Aller guten Dinge sind...Tag Drei.
 

Nach 1,5 Tagen kam ich gen Abend am Motosu See an. Wirklich schön gelegen, der Japaner frönt (auch hier natürlich absolut vollausgerüstet der Angelleidenschaft)

lake.jpglake3.jpglake2.jpg

 

 

Es zog sich etwas zu und ich hatte schon bei Abreise zum Tokai gesehen, dass sich eine Regenfront um Tag drei ankündigte. In Japan wird das ganze dann mal schnell ein Taifun, zu erkennen an prognostizierten Regenmengen von 45l/qm und mehr.

Orgakram am Rande: Wetter in Japan ist stark lokal und ändert sich entsprechend der Insellage sehr schnell.  Relativ zuverlässig ist http://www.jma.go.jp/jma/indexe.html vor allem die Warnings nach Präfektur sollte man im Auge haben http://www.jma.go.jp/en/warn/index.html und natürlich die Tsunami, Landslide, Earthquake und Volcano Warnungen - aber sonst...
http://www.jma.go.jp/en/tsunami/
http://www.jma.go.jp/en/doshamesh/
http://www.jma.go.jp/en/quake/
http://www.jma.go.jp/en/volcano/

 

Zurück zur Geschichtenerzählerei. Ich war also in Anbetracht des vermutlich anstehenden kleineren Tsunamis recht froh, als ich einen Birdwatching-Unterstand in absolut luxoriösen Hammock-Maßen entdeckte, zu dem sich nach Einbruch der Dunkelheit sicherlich niemand mehr verirren würde.
Camp2.jpg

 

Wie erwartet begann es dann auch bereits in der Nacht erbarmungslos zu schütten - selten habe ich ein festes Dach derart genossen. Als es hell wurde und ich immer mal beim rumdrehen ein Auge riskierte regnete es nach wie vor wie aus Eimern.
Irgendwann konnte ich selbst im ultrabequemen hammock-Nest nicht mehr weiter dösen, aber auch nach ausgedehntem Frühstück, Zusammenpacken und vor sich hin sinnieren war von nachlassendem Regen noch keine Spur. Erst gegen 11 Uhr war deutlich weniger Regen angesagt, sodass ich mich auf durch den völlig durchgeweichten und bei immer noch recht hohen Temperaturen unglaublich diesigen Wald machte. 

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 mist2.jpg

Die Szenerie hatte schon etwas von sagenumwobenden Samurai-Abenteuer, aber die Anstiege wurden bei dem Untergrund nicht leichter - und die Aussicht oben nicht unbedingt entlohnender.

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Was die Stimmung angeht, bin ich doch ein ziemliches Sonnenkind, bei miesem Wetter hängt selbige bei mir schnell etwas durch, so auch an diesem Tag. Von unten Wasser, von oben Wasser, der recht anständige Wind sorgte immer mal wieder für zusätzliche Wasserladungen von den Bäumen. Dazu fleißig im aufgeweichten Waldboden versinken, ab und an mal wegrutschen und trotzdem schwitzen wie ein Tier auf Grund der Schwüle. 

Während ich mich also innerlich maulend und quängelnd die Anstiege hochschob und darüber sinnierte, weshalb ich nicht einfach in meinem Schönen Unterstand geblieben wäre (ein völlig sinnloses Gedankenspiel, der Boden wäre noch nächste Woche nicht ansatzweise angetrocknet gewesen) bemerkte ich irgendwann, dass da irgendwas an meinen Fesseln klebte.
"Ah, eine kleine Naktschnecke, na sowas - schwupps, hinfort mit dir."
"Nanu, Du sitzt aber fest. So, jetzt aber - und weiter geht's."

Ein paar schritte später beim zufälligen Blick nach unten jedoch schon wieder irgendwas an der anderen Fessel - und Moment mal - die andere Seite blutet - und zwar nicht nur ein bisschen, sondern ganz amtlich - WTF?


leeches.jpg
Späteres Bild

 

Tja, Blutegel kannte ich bis dato nur als Wassertiere, nicht als Landbewohner. Die kleinen Biester saugen sich, sobald man drauf tritt von unten an die Schuhsohle und arbeiten sich dann munter hinauf und ab geht die Post.

leech1.jpgSpäteres Bild

Und der Wald war wirklich voll davon. alle paar Schritte fing ich an, irgendwas von meinen Schuhen zu schubsen, oder aus den Schuhen zu sammeln oder vom Bein zu pflücken. Der Laufrhythmus war eher ein 1-2-check-1-2-check, es war zu verrückt werden. Ich sollte noch Tage später beim Socken auswaschen ein paar winzige Gestalten aus dem Sockengewebe spülen, die sich selbst durch die Socken durchgearbeitet hatten.

 

How much worse can it get?

Ich war gerade dabei, per GPS Track zu checken, ob ich den richtigen Abzweig genommen hatte, als sich zwei besonders flinke Gesellen schon an meinem Socken hoch arbeiteten. Das Telefon schnell in die Hüftflossentasche geschoben, vorgebeugt, abgesammelt und - klatsch - Mein Telefon landete zielsicher und Murphey's Law konform mit dem Bildschirm zuerst auf dem einzigen Stein weit und breit. Aufgehoben, Screen nicht nur etwas, sondern mal so richtig amtlich gesplittert.

In sekundenbruchteilen schossen mir Gedanken durch den Kopf:
Du stehst mit Blut die Knöchel herunterlaufenden Beinen und langsam rötlichen Socken im mit Blutegeln verseuchten Schlick irgendwo im Japanischen Wald. Du bist völlig durchnässt, Du kannst kein einziges Schild lesen, es ist Tag drei von drei Wochen und jetzt hast Du es auch noch geschafft, Dein Smartphone und GPS zu schrotten? Na gratuliere!
Als ich dann auf den on-knopf drückte, und nach einem winzigen Moment der Verzögerung das zersplitterte Display aufleuchtete und der GPS-Track noch immer halbwegs erkennbar war, zumindest im oberen, linken Drittel, war das Aufatmen dementsprechend groß.

 

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Vielen Dank auch von mir für den wirklich mitreißenden Reisebericht!

Dieser erfreut mich besonders, da meine UL-Leidenschaft zu der Zeit geweckt wurde, als ich selber für ein paar Jahre in Tokyo gelebt habe und ich viele Deiner Schilderungen sehr gut nachempfinden kann.

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vor 18 Minuten schrieb eric:

Vielen Dank auch von mir für den wirklich mitreißenden Reisebericht!

Dieser erfreut mich besonders, da meine UL-Leidenschaft zu der Zeit geweckt wurde, als ich selber für ein paar Jahre in Tokyo gelebt habe und ich viele Deiner Schilderungen sehr gut nachempfinden kann.

Interessant! 
Kennst du weitere Trails, Websites, Tipps zu Trekking in Japan?

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Hi Mil, ich denke das würden den Reisebericht hier sprengen, aber ich habe schon einmal mit dem Gedanken gespielt, einen Faden "UL in Japan" zu erstellen der dann gemeinsam und Stück für Stück mit Informationen angereichert werden könnte… 

Ich selbst habe da auch wirklich nur bruchstückhaftes Wissen… ;-)

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  • 2 Wochen später...

Tee und Gastfreundschaft

Ich hatte bis ins Dunkel Strecke gemacht, da auf meiner Karte ein Shelter verzeichnet war. Die Strecke war eher nichtssagend, auf und nieder durch den matschigen Wald. Irgendwann hatte ich - eher aus Verzweiflung angefangen, meine Schuhe mit Mückenspray einzujauchen. Aber tatsächlich, das mochten die Leeches scheinbar gar nicht. Sie blieben auf der Sohle und machten keine Anstalten mehr, sich weiter nach oben zu tasten - HEUREKA!

Beim eingezeichneten Shelter angekommen war es wohl eine Art Jugendherberge oder Ferienheim, aber was auch immer es war, es hatte dicht, und zwar augenscheinlich schon etwas länger. Rings um das Dorf lagen Anstiege, der Boden war aufgeweicht und es war einer der wenigen Momente, in denen die Mücken auch ihren Spaß hatten. Also kurzum unter das Vordach der Unterkunft gelegt und den ganzen nassen kram aufgehangen in der Hoffnung, dass das Zeug trotz Luftfeuchte ein wenig trocknet. Dafür war die Matte, die ich dabei hatte für mich als Seitenschläfer definitiv etwas zu dünn, auch mit Rückenpad unter dem Hüftknochen auf jeden Fall eine Nacht mit viel Drehmoment.

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An der Trocknungsfront war auch eher nichts passiert, also wieder rein in die nassen, blutroten Socken und die schlammigen Schuhe und weiter ging's. Schon wenige Meter später war ich mit anderem beschäftigt. In der Nacht hatte ich nur wenig von der Umgebung, in der ich da gelandet war mitbekommen, und der Morgen gab einen perfekt nebligen Blick auf Teefelder über Teefelder frei - wahnsinn!

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Auch die folgenden Dörfchen waren eher von der pittoresken Sorte - wobei das aus westlicher Sicht wahrscheinlich nicht schwer ist - geht einem doch allein schon bei der dort ja völlig normalen Dachform und den Gärtchen schnell überall ein *hach über die Lippen

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Aber auch dieser in Deutschland zwar omnipräsente, aber eher abstrakte Begriff der alternden Gesellschaft wird einem in Japan schnell greifbar. Verlassene, durchaus noch attraktive Häuser, kaum Leute in den Dörfern sichtbar und wenn, dann gebückt gehende Muttchen, die im Garten herumwuseln - gespenstisch!

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Aber die, die noch unter uns sind, sind auf jeden Fall noch gut in Schuss.
Als es langsam dämmerte, hatte ich ein schönes Plätzchen etwas außerhalb eines Dörfchens entdeckt. Ein stück weiter unten am Dorfrand gab es eine Quelle und Bänke nahe eines Schreins, wo ich mich ausruhte, auf die Dunkelheit wartend, um das Tarp zu stellen.  Da sah ich schon von weitem einen älteren Herren heranschlendern - mit deutlicher Schlagseite. Der gute Mann hatte anscheinend ganz ordentlich getankt. Das erklärte wohl auch, weshalb er auf meinen Gruß deutlich zugewandter reagierte als die meisten Japaner, die mit der furchteinflößenden Situation konfrontiert, wohlmöglich kein 100% perfektes Englisch zu sprechen eher wortkarg das Weite suchten. Der alte Herr und ich unterhielten uns ein Weilchen mit Händen, Füßen, Google Translate und Englischbrocken. Wie immer löste mein Wandern auf dem Tokaido ein großes ooooohhhhhaaahhh aus. Der Umstand, dass ich vor hatte, in der Natur zu nächtigen, schien sofortige Hilfsreflexe auszulösen und so wurde ich kurzerhand mit zu ihm beordert, um bei Ihm und seiner Frau zu nächtigen.
Es war ein spannender Einblick in die japanische Kultur und lebensweise. Über 70, wohl der Karriere wegen kinderlos geblieben, nach einem Arbeitsleben in Tokyo wieder ins Heimatdorf gezogen - und dort wohl den Alkohol etwas zu sehr schätzen gelernt. Auch ich kam um das ein- oder andere Glas Shōchū aus der 5l Plastikflasche nicht herum.
Aber noch fit wie ein Turnschuh und durchaus unterhaltsam, der gute Mann, den Spagat mache ich ihm - über 40 Jahre jünger - jedenfalls nicht nach.

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Seine Frau hielt sich die Zeit über eher im Hintergrund, erfüllte eher die Rolle einer Haushaltshilfe, die uns mit Abendessen und Tee versorgte, was mir stark unangenehm, aber unumgänglich war. Zu später Stunde kroch ich auf den extra für mich im Gästezimmer angerichteten Futon, morgens gab es Frühstück und japanisches TV (es wird bereits jetzt schon fiebernd über Tokyo 2020 berichtet) und sogar noch einen Proviantbeutel bekam ich aufgedrückt - eine tolle Erfahrung!
 

 

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Water and suicide - ignorance is bliss!


Der nächste Tag war vor allem von Wasser geprägt - zum Glück nicht von oben. Wie im weiteren Verlauf noch öfter ging es eigentlich ständig neben, oberhalb oder über Bächlein - alles sehr schön anzusehen.

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Dazwischen eine erste Bärenwarnung, die ich zu ignorieren beschlossbear.jpg


Andere bedrohlich aussehende Warnungen, die ich eh nicht lesen konntewarning.jpg


Und eine gesperrte Brücke, über die ich mich - mangels alternativen und ordentlich Strömung und Felsen erfolgreich wagte

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Weiter mit Wasser, Wassre und...Wasser. Ich will gar nicht wissen, wie das zur Regenzeit oder Schneeschmelze aussieht, aber die zahlreichen Wassersperren und -Brecher geben einen Vorgeschmack.
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Vorbei an Reis, Dörfchen und der berühmten Bittergurke, die das Geheimnis der steinalten Japaner sein soll, schraubte ich mich langsam Höhenmeter hinauf. 

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Ach und natürlich...noch mehr Bächlein ;)

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Auf dem vor mir liegenden Gipfel war ein größerer Schrein eingezeichnet, sodass ich mir ausreichend Campfläche erhoffte. Warum auch immer, aber murphey's law-artig, hatte ich die fiesesten Anstiege meistens, wenn die Puste schon etwas weg war, gen Abend, kurz vor dem Ziel - so auch heute. Aber oben angekommen entlohnte mich ein imposanter Schrein und kurz danach ein nächtlicher Blick auf ein in der Nähe liegendes Städtchen.

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Die Nacht war kühl und windig, ich war froh, nicht nur etwas Campfläche, sondern sogar ein komfortabel geschütztes Plätzchen für die Hängematte gefunden zu haben. 

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Der Morgen nach dem verlassen des warmen Nests war umso kühler bis die Sonne endlich auftauchte - Zeit für ein warmes Ramen-Süppchen, wann hat man schon mal so einen majestätischen Tisch zum Frühstück?

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Dann noch eine kurze Sightseeing-Runde um den Schrein in voller Pracht bei Tageslicht gedreht und ab dafür.  Das Glas Sake am frühen Morgen habe ich den Göttern gelassen.

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Doch halt - was waren das eigentlich für Plakate? Selbst ohne sie lesen zu können sieht das aus wie...Vermisstenanzeigen? WTF? 

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Mir dämmerte es. Ich wusste zwar, dass der berühmt-berüchtigte Suicide Forest da irgendwo in der Nähe des Tokaido lag, aber ich hatte doch glatt allen Ernstes mehr oder minder mittendrin allein gepennt - mal gut, dass ich da nicht noch im Dunkeln über die Schilder gestolpert bin, selbst jetzt schauderte es mich noch gehörig - ignorance is bliss!


Also nichts wie die Siebensachen gepackt und ab für ne Mark! Bald offenbarte sich der Blick auf Shizuoka, die Hauptstadt der Präfektur.

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Von Nahem kein wirklich schöner Anblick, eher ein Industriestädtchen. Aber einen hübschen Park mit einer Art Burganlage gibt es.

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Ich hatte beschlossen, mir ein Zimmer zu nehmen, um meine Sachen mal ordentlich trocken zu bekommen, durchzuwaschen, mal nicht 7eleven zu essen und mit dem Zug am nächsten Morgen ein Stück weiter zu hüpfen, um noch mal einen anderen Abschnitt des Tokaido zu sehen, die Landschaft ähnelte sich in den letzten Tagen zumeist doch ziemlich. 

Gesagt, getan:

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Auf die 'Trockner'-Konstruktion mit Fön bin ich schon etwas stolz...

Zimmer bekommt man zentral um und bei 40€ wenn man etwas sucht. Klassische Business-Hotels älteren Standards, aber dabei nicht abgerockt, wie hierzulande in der Preisklasse und Baujahr. Hatte eher was von Zeitreise, in einem wie neu anmutenden späte 80er Jahre Zimmer zu pennen. Dorms sind dagegen eher die Ausnahme in derartigen Städten und Städtchen ohne großartigen Tourismus.

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Am nächsten morgen ging es ab nach Hamamatsu (eine genauso wenig sehenswerte Industriestadt) und von dort wieder auf den Trail - aber das ist eine andere Geschichte, wie der Märchenonkel so schön sagt ;-)

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  • 3 Wochen später...

Tja, ich will Dich nicht drängen - aber ich warte ungeduldig auf die Fortsetzung.

Finde Deinen Bericht sehr schön, sowohl vom Stil als auch generell vom Einblick in eine sehr fremde Kultur und Trekkingwelt - Vielen Dank dafür!

Wandern gibt mehr Verstand als hinterm Ofen sitzen.

(Philippus Theophrastus Paracelsus)

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Tolle Bilder und spannend geschrieben - super Bericht! Immer schön Fotos vom Shelter machen :) Freut mich, dass du zu einer Übernachtung und Essen eingeladen wurdest ...das ist doch nochmal eine ganz besondere Erfahrung, die man als klassischer Tourist eher nicht machen wird. Ist mir in Bangladesch auch passiert, ich hab mich gefreut wie ein Schneekönig.

Bitte weiter schreiben ! :)

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  • 2 Wochen später...
  • 3 Monate später...

@questor Vielen Dank für diesen informativen, detaillierten Beitrag! Am 22.04. gelesen, dadurch inspiriert kurzentschlossen einen Flug für den 29. gebucht und nun die Strecke Fujikawaguchiko bis Shizuoka ebenfalls erfolgreich mit vielen positiven Eindrücken bei bestem Wetter zurückgelegt.

Und tatsächlich: Es gibt erstaunlich viele Treppen! ;-)

Vielen Dank nochmals!

jozhik

 

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  • 5 Monate später...
bitte, schreib doch wieder!
Heieiei - da sagst Du was.
Ich lebe zwar immer noch etwas zwischen den Stühlen, was mein Rechner- und Bilderchaos angeht, aber Du hast Recht. Ehe die Erinnerung komplett versandet, muss ich die Kiste mal rund machen.
Ich gelobe Erledigung.

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