Schwarzwaldine Geschrieben 1. September Teilen Geschrieben 1. September (bearbeitet) Nach Impressionen von Touren möchte ich für unsere dreitägige Bikepacking-Tour über die Vogesen auch mal einen kleinen Reisebericht erstellen. Es ging von Strasbourg aus am Canal de la Bruche bis ins Breuschtal, dieses (gemütlich) hinauf bis Saales, über St. Dié ins Moseltal und von dort aus bis Nancy. Unser Basisgewicht lag dieses mal fast UL-tauglich bei 5,5 kg pro Person. Da ich lieber am Laptop schreibe, die Bilder aber noch auf dem Handy sind, kommt hier erst der Bericht und anschließend die Bilder. 1. Tag: Strasbourg - St. Dié, 100 km Nach Strasbourg ist es eigentlich nicht weit, aber da wir die Strecke schon zigmal gefahren sind, ging es per Nahverkehrszug bis zum Hauptbahnhof, von da aus ist man schnell am stillgelegten Canal de la Bruche, an dem eine der zahlreichen piste cycable Frankreichs verläuft. Hier waren wir auch schon öfters unterwegs, in beide Richtungen, aber die Strecke ist immer wieder schön. Wir hatten uns Zeit gelassen und waren erst kurz nach 11 am Bahnhof angekommen, der Zug war äußerst voll, so dauerte es einige Zeit, bis wir wirklich in Richtung Kanal rollen konnten. Am Kanal selbst war wenig los, der Vorteil von unter der Woche unterwegs sein. Am Wochenende konkurrieren dort Familien mit Rennradlern. Am hübschen Örtchen Dachstein vorbei, den Dompeter ließen wir diesmal rechts liegen, Molsheim ebenso - aber anschließend war für mich Neuland, im Breuschtal war ich noch nie. Mutzig ist mindestens so putzig wie sein Name (auch, wenn ich mich natürlich nicht entblöden konnte, einen entsprechenden Kalauer mit einem sch- davor rauszuhauen, bevor mein Mann das tun konnte, das ist bei uns ein kleiner Wettbewerb), aber im Gegensatz zu den berühmten Tourikollegen überhaupt nicht überlaufen. In der Boulangerie Schumacher am Marktplatz wurde mit tarte des quetsches und café au lait für Energienachschub gesorgt, dann gaben Berge rechts und links bekannt, dass wir im richtigen Tal angekommen waren. Noch ging es aber lange nur gelegentlich rauf. Im unteren Breuschtal wird der Radweg oft noch seperat geführt, es fährt sich sehr angenehm, vorbei an Weiden, aber auch vielen Sägewerken, teilweise beeindruckend groß. In Fouday teilte uns, nachdem wir schon an der Kirche vorbegefahren waren, ein altes Schild mit, dass dort Pastor Oberlin, Reformpädagoge und Pfarrer im 18. Jh, begraben läge, was uns beide überrascht hat, wir hätten sein Grab im nahen langjährigen Wirkungsort Waldersbach vermutet. Natürlich kehrten wir daraufhin um, kletterten zum Friedhof neben der Kirche (die selbst, wie so oft, natürlich zu war) und fanden tatsächlich, ohne weiteren Hinweis, das Grab. Andenkenpflege geht irgendwie anders ... aber jetzt isses wenigstens als Komoot-Highlight angelegt. Nach Fouday war Schluss mit dem Radweg, aber der Verkehr war gut erträglich und es gab nur wenige Idioten, die ohne Seitenabstand überholten. Wir wollten eigentlich noch bis Saales auf den dortigen Campingplatz, aber als wir dort gegen 18 Uhr eintrafen, war der geschlossen. Wir also weiter, da war doch noch ein Hinweisschild zu einem Hotel, vor dem Gebäude auch ein hoffnungsvolles "ouvert", auf dem Parkplatz davor auch zwei Motorräder - aber beim genaueren Blick sah die Bude doch ziemlich verlassen aus, Gras vor der verschlossenen Eingangstür und von den Motorrädern hatte eines einen verrupften Sitz und das andere zwei Platten. Und da auch sonst das Kaff oben auf dem gleichnamigen Col (556 m) noch nicht einmal über Bürgersteige zum Hochklappen verfügte und einfach nur gottserbärmlich verlassen wirkte, beschlossen wir, noch die 22 km bis St. Dié dranzuhängen. Erst eine ideale Abfahrt, bei der noch nicht einmal mein Mann bremsen musste, dann ausnahmsweise, weil man dort hervorragend schnell fahren konnte und die Straße auch breit genug war für ungefährliche Überholmanöver, auf der N159 als Gravelexpress, auf diese Weise waren wir eine dreiviertel Stunde später in der Stadt. Der dort angezeigte Campingplatz war nur noch ein Wohnmobilstellplatz ohne Sanitäranlagen, also halt Hotel, nach etwas Rumkurven fanden wir auch etwas passendes (Ibis und ähnliche Ketten versuchen wir, nach Möglichkeit zu vermeiden). Eine Brasserie in der Nähe stillte den Hunger. 2. Tag: St. Dié - Epinal, 68 km Ohne viel über die Stadt zu wissen, hatte ich mir St. Dié immer schon hässlich vorgestellt und die Einfahrt am Abend zuvor hatte dieses Vorurteil auch bestätigt, die Nacht dann allerdings noch voll draufgesetzt - irgendwann beschlossen wir, dass wir versehentlich in einer absurden Theatervorstellung gelandet waren, die die ganze Nacht andauerte. Irgendwie brüllte immer irgendjemand draußen rum. Höhepunkt war dann eine anderthalbstündige "Unterhaltung" ab 4:30 zwischen "Nicole" und ihrem mutmaßlichen Ex. Es begann mit gefühlten dreissig Minuten, in denen er immer nur "Nicole!" brüllte, irgendwann kam dann die Antwort und von da an hatte Nicole das Wort, bzw. den Brüll, er kam deutlich seltener zu Wort, brüllte aber gelegentlich etwas von einem Daniel. Nicoles neuer Lover? Der gemeinsame Sohn? Wir überlegten und die passende Hintergrundstory dazu. Absurdes Theater? Vielleicht. Vielleicht auch einfach Training für die neue olympische Disziplin im Dauerbrüllen? Beide zeigten auch gegen sechs Uhr, als die Brüllerei langsam abebbte, keine größeren stimmlichen Einschränkungen. Chapeau! Beeindruckend war auch, dass sich ansonsten keiner für diese Szene interessierte. Kein "ta gueule" oder sonstige Reaktionen - war die Bevölkerung schlicht und ergreifend daran gewöhnt? Wenigstens gab es genügend Kaffee am nächsten Morgen zum Frühstück und unsere Räder hatten die Nacht in der Bar (gab sonst keinen Abstellplatz) gut überstanden. Wir fuhren noch kurz ins Zentrum, bewunderten die Nachkriegsarchitektur der Einkaufsstraße und eine schon ziemlich runtergekommene, von Stararchtitekten Le Corbusier entworfene Fabrik. An dem kleinen Flüsschen Taintrué entlang ging es über den nächsten "Pass" ins Hochtal der Vologne, wo uns ziemlich viel Gebuckel bei steigenden Temperaturen erwartete. Landschaftlich sehr schön, aber auch relativ viel Verkehr, die Alternative hätte allerdings noch mehr Gebuckel bedeutet. Zumindest der Verkehr wurde mit Erreichen der Mosel besser. Wir warfen noch eine kleine gedankliche Münze, weil wir noch nicht ganz entschieden waren, ob es nun moselaufwärts oder moselabwärts gehen sollte - letztlich gaben die nun deutlich gestiegenen Temperaturen den Ausschlag für moselabwärts und damit zwar ein bis zwei Grad mehr als im Hochtal, aber dafür auch weniger Steigungen. Die Hitze war auch der Grund, weshalb wir in Epinal Schluss machten, obwohl wir dort schon um 16 Uhr waren und normalerweise noch gut zwei Stunden hätten fahren können. Aber die ca. 25 km bis zum nächsten Campingplatz hätten wir nur noch sehr mühsam geschafft. Der Campingplatz von Epinal liegt zwar nicht an der Mosel, sondern auf dem Schlosssporn etwa zwei Kilometer außerhalb, aber er ist für Radler sehr empfehlenswert: es gibt für Radler reservierte, schattige Zeltplätze mit Bank-Tisch-Kombinationen und Stromanschluss für E-Bikes und Handyladung inklusive. Außerdem hat er einen kleinen Pool und ein Bistro, kühles Bier und das Abendessen war also gesichert. Passt! Epinal - Nancy, 85 km Bis auf einen Belgier, der es um 0:30 noch mit seinem Leihwohnmobil auf den eigentlich über Nacht gesperrten Platz geschafft hatte und eine gefühlte Ewigkeit brauchte, bis er einen Stellplatz gefunden hatte, blieb die Nacht störungsfrei und ich hatte ausnahmsweise mal meine Hälfte der Exped Airmat Duo perfekt für mich aufgeblasen und fast so gut gelegen wie in der Hängematte, also eine fast perfekte Schlafnacht. Angesichts der auch für diesen Tag angesagten Temperaturen wollten wir aber einigermaßen bei Zeiten vom Acker kommen und so kochte ich um Viertel nach sieben Kaffee. Zwei Stunden später waren die Räder bepackt und wir rollten wieder Richtung Mosel, dieses Mal aber durch den an den Campingplatz angrenzenden Tierpark und noch vor zur alten Schlossruine, von der aus es einen sehr schönen Blick auf Epinal gab. Angesichts der steilen Abfahrt war ich aber froh, am Vortag nicht diesen Weg als Hinfahrt genommen zu haben. Kurz nach Epinal begann der entspannteste Teil der Tour, wir erreichten den V50 bzw. die "Voie Bleue", einen Fernradweg entlang von Mosel und Saone und damit eine alte Bekannte, denn am Anfang der Ferien waren wir schon einmal zehn Tage lang mit den Gravels in Frankreich unterwegs gewesen und hatten u.a. die Voie Bleue zwischen Chalon sur Saone bis Lyon befahren und wussten, was uns erwartet: ab jetzt ging es bis Nancy Centre einfach immer am Canal de Vosges entlang. Der war zunächst ungewohnt befahren, mit Kiesfrachtern nämlich, so dass auch mal wieder Schleusen in Aktion zu sehen waren. Nach diesem Abschnitt allerdings waren noch nicht einmal Freizeitkapitäne unterwegs, nur zahlreiche Reiseradler, die meisten in Richtung Süden und damit uns entgegen. Langweilig wurde die Strecke nie, wir passierten zahlreiche Zeugen einer industriellen Vergangenheit, am beeindruckendsten war eine ehemalige Spinnerei, ein Ziegelbau, der fast wie ein Schloss gebaut war, jetzt wachsen Birken aus dem obersten Stockwerk. Lost Places-Jäger werden hier fündig, der Zahn der Zeit nagt hier oft, auch am Kanal selbst - die eisernen Spundwände sind auf Höhe der Wasseroberfläche oft durchgerostet und machen einer überbordenden Flora und sicher auch Fauna Platz. Das angenehmste an dem heißen Tag aber sind die zahlreichen Platanen und weiterer Bewuchs, die für ein angenehmes Rollen trotz der Hitze sorgen. Ein Verbindungskanal bringt uns an den, ebenfalls schon Anfang der Ferien mitbefahrenen Canal du Rhin au Marne und das Zentrum von Nancy, hier bestaunen wir noch schnell die heiße Pracht des Place Stanislas und steigen dann in den TER, der uns nach Strasbourg zurückbringt. Die Stadt selbst schenken wir uns, zu heiß, es gibt gleich Anschluss auf die andere Seite des Rheins, von da ab fahren wir aber nochmals 25 km und nehmen noch unseren Lieblingsbiergarten mit. Fazit: 3 Tage, 1300 hm und 276 km insgesamt und mal wieder die Erkenntnis, dass es zu Fuß oder auf dem Fahrrad keine große Strecke braucht, um aus dem Alltag auszusteigen. Bearbeitet 1. September von Schwarzwaldine Schlurfer, mmaddin, bifi und 3 Weitere reagierten darauf 6 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Schwarzwaldine Geschrieben 1. September Autor Teilen Geschrieben 1. September (bearbeitet) Und hier noch die Bilder: Mutzig Oben: Pfarrer Oberlins Grab in Fouday Stadtmitte von St. Dié und die Usine Le Corbusier Alte Brücke über die Vologne kurz vor der Mündung in die Mosel Der "gnitzigste" Christus, den ich jemals gesehen habe ... Blick auf Epinal Kanalbrücke über die Mosel Die alte Spinnerei Bearbeitet 1. September von Schwarzwaldine Steintanz, Schlurfer, Knight_Saber und 6 Weitere reagierten darauf 9 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Kay Geschrieben 2. September Teilen Geschrieben 2. September Mal eine ganz andere Perspektive von den Vogesen, als meine Wandererfahrungen. Danke für den schönen Bericht! Ihr habt meinen Respekt,dass ihr das bei dem Wetter durchgezogen habt. Schwarzwaldine reagierte darauf 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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