Capere Geschrieben 1. März 2023 Geschrieben 1. März 2023 (bearbeitet) ACHTUNG: Der Selvaggio Blu ist alles andere als ein klassischer Trekking Weg! Vielmehr ist es eine Route, die solide Vorkenntnisse im Klettern (bis Grad IV), Abseilen (bis ±45m) und insbesondere auch Wegfindung im rauen Gebirge bedarf. Das alles mit extrem eingeschränkter Wasserversorgung, denn Quellen gibt es quasi keine. Nehmt das Ganze also bitte nicht auf die leichte Schulter und euch im Zweifel einen Guide zur Seite (z.B. Explorando Supramonte). Mit dieser Warnung vorweg, will ich euch von meinem 2-Tage Push auf dem Selvaggio Blu berichten, welcher mich mit seinem herausfordernden Charakter direkt angesprochen hat und sich als perfekte "Wintertour" eignen sollte - so zumindest der ursprüngliche Gedanke. Bis kurz vorm Abflug war die Wettervorhersage mit 16-18°C am Tage und 10+°C in der Nacht bei bewölktem Himmel auch vielversprechend. Tatsächlich ging der erste Tag mit traumhaftem Sonnenschein und frühsommerlicher Wärme wunderbar los. So macht Fastpacking mit Blick aufs Meer Spaß! Entsprechend zügig kam ich anfangs auch voran und glaubte, mein Projekt die vollen 40.5km und 4200hm in 2 Tagen zu stemmen, sollte gut machbar sein. Im Hinterkopf drohte aber der Gedanke an einen Wetterwechsel, welcher mir für den Abend und die ganze restliche Woche schmerzlich durch Meteoblue angekündigt wurde (inkl. Gewitter- und Sturmwarnung...). Mein Start war wegen Abklärung der Logistik mit Manuela (Explorando Supramonte - volle Empfehlung meinerseits!) mit 9:15h zwar recht spät, ich wollte aber sicher sein, dass ich von Cala Sisine auch wirklich wieder nach Hause komme. Ab ±KM11 kam mit dem ersten komplett weglosen Segment jedenfalls ein satter Dämpfer: Ich brauchte gefühlte Ewigkeiten (36-40min/km), um in voller "Bushwhacking"-Manier quer durch die Botanik zu straucheln. Und das OBWOHL ich einen ziemlich akkuraten GPX Track auf zwei Geräten laufen hatte... Der "Weg" ist hier nämlich für längere Zeit nicht mehr als ein Ziegenpfad - und davon gibt es obendrein auch noch eine Menge weitere. Richtig grobe Verhauer hatte ich zwar nicht, aber da ich vom drohenden Wetterumschwung wusste, fluchte ich hier doch das ein oder andere mal. Hier sei dabei nochmals erwähnt, dass es auf dem Selvaggio effektiv keinerlei Markierungen gibt! Alles was den Verlauf ersichtlich macht sind vereinzelte Steine in Bäumen oder das ein oder andere Steinmännchen. Da grenzt es schon fast an ein Wunder, dass ich die diversen "Hirtenleitern" aus Wacholder-Stämmen recht zuverlässig gefunden habe. Solange das Wetter noch anhielt, gönnte ich mir trotzdem ein warmes Mittagessen + Kaffee - neben meiner Übernachtung mit 30min die einzige wirklich längere Pause der Tour. Ab KM14 konnte ich zudem wieder etwas Fahrt aufnehmen, denn ab hier war der Weg wieder besser sichtbar und führte u.a. zu idyllisch gelegenen Buchten (Portu Pedrosu). Apropos Übernachtung: Am Ende kam ich auf knapp 20km an Tag 1 und legte mein Nachtlager auf einem alten Köhlerplatz an. Die Nachttemperatur war mit 7°C eigentlich okay, aber durch den inzwischen aufgekommenen Regen doch eher unangenehm. Tatsächlich habe ich auch nur begrenzt schlafen können, da mich die lauten Regenschauer nicht richtig einschliefen ließen... Am nächsten Tag regnete es natürlich erst mal auch weiter, aber das sollte mich nicht davon abhalten mein Ziel eisern zu verfolgen. Zum Glück war der Weg hier auch gut ersichtlich und insbesondere auf dem Abstieg zur Cala Goloritze (im Somer wohl eine Touri-Hochburg) nicht zu verfehlen und gütig. Die Cala Goloritze beherbergt übrigens auch eine der seltenen natürlichen Quellen des Weges - ja, das schmale Rinnsal auf dem Bild. Man Bedenke: So sieht das nach durchregneter Nacht aus! Ich will nicht wissen wie mickrig das im Hochsommer ist. Obendrein gab es ein paar ausgesetzte Pfade direkt an den Steilklippen oder auf schmalen Bändern entlang. Atemberaubende Tiefblicke inklusive! Die folgenden Klettereien und ersten Abseilstellen waren zudem für sich genommen nicht schwer, aber dank des nassen Felsen schon ein Fall für höchste Konzentration. Achtung! Mein Abseilsetup (30m RAD Line + BealEscaper) ist absolut minimalistisch und entspricht NICHT 100% der gängigen Lehrmeinung. Es hat mir für die Situationen auf dem Selvaggio gereicht, weil ich es clever eingesetzt habe und die notwendige Expertise besitze! Für die meisten sind aber 2x 60m (Halb-)Seile deutlich komfortabler und mit weit mehr Sicherheitsreserve. Ich würde zudem niemanden raten auf einen Helm zu verzichten - das Steinschlagrisiko ist bei diesen Felsen und den ubiquitär vorhandenen Ziegen vollends gegeben. Als im strömenden Regen abermals ein absolut wegloses Segment folgte, verfluchte ich die Entscheidung diesen Trek zu gehen ehrlich gesagt ein wenig. Ich bin durch und durch Optimist, aber wenn man satte 51min für einen Kilometer braucht, nur weil man die ganze Zeit im strömenden Regen nach den geringsten Spuren eines Weges suchen muss, dann zermürbt das auch mir irgendwann die Laune. Zumal ein besonders garstiger Ast auch noch den Ärmel meines FarPointe Alpha Hoodies eingerissen hat. :/ Da konnten selbst die beeindruckenden Höhlen und Kavernen entlang des Weges nur begrenzt die Stimmung heben. Schlussendlich siegte aber der Wille und zum Ende hin wurde der Weg dankenswerterweise auch wieder gut ersichtlich - gerade rechtzeitig, denn so konnte ich die letzten 2km im Schein der Stirnlampe nochmals richtig Gas geben und gegen 19 Uhr endlich am Ziel - der Cala Sisine - ankommen. Von dort war es dann nochmals etwa 30min bis zum Trailhead, wo der Jeep mit Claudio von Explorando Supramonte wie besprochen auf mich wartete. Vielen Dank hier nochmals an die Beiden, denn so durchnässt und ausgelaugt wie ich war, hätte ich ungern noch eine Nacht dort draußen verbracht. Nach etwa einer Stunde Fahrt im Dunkeln durch unwegsames Offroad-Gelände - allein das wäre schon eine Attraktion gewesen - kamen wir so gegen 20:30 wieder in der Zivilisation an. PS: Zumal sich am nächsten Morgen der Wettersturz mit Temperaturen um die 2-4 °C und Schnee! übrigens so richtig abzeichnete. Ein Glück ich konnte diese Kapriolen ganz entspannt in einer Römer - Therme aussitzen. Bearbeitet 1. März 2023 von Capere icefreak, baskerville, Fluwer und 19 Weitere reagierten darauf 18 4 SUL Wandern / Trekking - <4.6lb / 2.08kg: https://lighterpack.com/r/um0g9u
RaulDuke Geschrieben 2. März 2023 Geschrieben 2. März 2023 Nach kurzer Google Suche habe ich dann herausgefunden, das du auf Sardinien warst! Top Story, aber lebensmüde! trekkingBär reagierte darauf 1
baskerville Geschrieben 2. März 2023 Geschrieben 2. März 2023 Danke dir für deinen Bericht. Der Salvaggio Blu steht auch auf meiner bucket list. Leider nimmt dein Bericht dem Trail ein wenig seinen Zauber. Über den schönen ersten Tag verlierst du nur wenige Sätze, wohingegen die negativen Aspekte sehr detailliert beschrieben werden. Das erzeugt bei mir als Leser natürlich ein negatives Bild vom Trail. Vieles scheint auf einem Stress zu gründen, dem du permanent ausgesetzt warst: das gesteckte und verbindliche Zeitfenster, die Schlechtwetterfront im Nacken, Absprachen mit dem Service-Team etc., aber das ist nur mein Eindruck und das wirst du besser wissen. Wie würdest du mit etwas reflexivem Abstand zur Tour meine salopp formulierte Frage beantworten: Ist der Trail wirklich so kacke? https://ultraleicht-trekking.de/
Trekkerling Geschrieben 2. März 2023 Geschrieben 2. März 2023 Der steht bei mir (mein zweit-liebstes Hobby ist das Bouldern, früher Seilklettern) auch schon länger auf der ToDo Liste. Aber ich kenne niemanden, der den gemacht hätte. Insofern vielen lieben Dank für den sehr ehrlichen Bericht.
Trekkerling Geschrieben 2. März 2023 Geschrieben 2. März 2023 vor 10 Minuten schrieb baskerville: Danke dir für deinen Bericht. Der Salvaggio Blu steht auch auf meiner bucket list. Leider nimmt dein Bericht dem Trail ein wenig seinen Zauber. Über den schönen ersten Tag verlierst du nur wenige Sätze, wohingegen die negativen Aspekte sehr detailliert beschrieben werden. Das erzeugt bei mir als Leser natürlich ein negatives Bild vom Trail. Vieles scheint auf einem Stress zu gründen, dem du permanent ausgesetzt warst: das gesteckte und verbindliche Zeitfenster, die Schlechtwetterfront im Nacken, Absprachen mit dem Service-Team etc., aber das ist nur mein Eindruck und das wirst du besser wissen. Wie würdest du mit etwas reflexivem Abstand zur Tour meine salopp formulierte Frage beantworten: Ist der Trail wirklich so kacke? Das habe ich mich auch gefragt... Ich hätte den auch eher klassisch in drei bis vier Tagen geplant.
baskerville Geschrieben 2. März 2023 Geschrieben 2. März 2023 vor 2 Minuten schrieb Trekkerling: Das habe ich mich auch gefragt... Ich hätte den auch eher klassisch in drei bis vier Tagen geplant. Dito, aber: Bei allem, was ich über den Trail gelesen habe, wird Wasser zum Problem. Das heißt dann wohl entweder sehr viel schleppen oder Depots anlegen, was organisatorischen Aufwand bedeutet (Planung, evtl. Leihwagen, Zeit usw.). https://ultraleicht-trekking.de/
Trekkerling Geschrieben 2. März 2023 Geschrieben 2. März 2023 vor 6 Minuten schrieb baskerville: Dito, aber: Bei allem, was ich über den Trail gelesen habe, wird Wasser zum Problem. Das heißt dann wohl entweder sehr viel schleppen oder Depots anlegen, was organisatorischen Aufwand bedeutet (Planung, evtl. Leihwagen, Zeit usw.). Ich würde Depots anlegen oder bei einem Veranstalter anfragen, ob sie mir gegen Entgelt eins anlegen.
Capere Geschrieben 2. März 2023 Autor Geschrieben 2. März 2023 (bearbeitet) vor 35 Minuten schrieb baskerville: Danke dir für deinen Bericht. Der Salvaggio Blu steht auch auf meiner bucket list. Leider nimmt dein Bericht dem Trail ein wenig seinen Zauber. Über den schönen ersten Tag verlierst du nur wenige Sätze, wohingegen die negativen Aspekte sehr detailliert beschrieben werden. Das erzeugt bei mir als Leser natürlich ein negatives Bild vom Trail. Vieles scheint auf einem Stress zu gründen, dem du permanent ausgesetzt warst: das gesteckte und verbindliche Zeitfenster, die Schlechtwetterfront im Nacken, Absprachen mit dem Service-Team etc., aber das ist nur mein Eindruck und das wirst du besser wissen. Wie würdest du mit etwas reflexivem Abstand zur Tour meine salopp formulierte Frage beantworten: Ist der Trail wirklich so kacke? Ja, wenn man das so liest, muss man schon etwas masochistisch sein um Gefallen dran zu finden haha. Tatsächlich ist alles noch sehr frisch im Kopf - war ja erst am Montag & Dienstag. Im Übrigen wäre es vom Support her absolut kein Problem gewesen, noch einen Tag ranzuhängen - man hat immer mal wieder Netz und kann sich so gut updaten. Wenn ich ehrlich bin, würde ich den Trek aber auch bei gutem Wetter und mehr Zeit nicht noch mal so machen. Dafür habe ich persönlich einfach zu wenig Freude an diversen Zwischensegmenten gehabt, als dass ich die freiwillig nochmals gehe... Insofern würde ich vermutlich lieber die schönsten Spots rauspicken und daraus dann Tagestouren oder eine abgewandelte Version bauen. vor 17 Minuten schrieb baskerville: Dito, aber: Bei allem, was ich über den Trail gelesen habe, wird Wasser zum Problem. Das heißt dann wohl entweder sehr viel schleppen oder Depots anlegen, was organisatorischen Aufwand bedeutet (Planung, evtl. Leihwagen, Zeit usw.). Genau das ist die Krux! Ich hatte bis Cala Goloritze meine 3.9l aufgebraucht und dann für den Rest des Weges dort nochmals 1.8l gefiltert, was gerade so gereicht hat. Wohlgemerkt obwohl ich sowohl zum Start, als auch bei der Cala G. kamelmäßig richtig viel vorgetrunken habe. Wenn man es im Sommer und/oder länger plant, kommt man vermutlich um Wasser Depots nicht drum herum und diese darf man allerdings seit 2019? nicht mehr selbst anlegen, sondern dass darf nur tagesaktuell durch zertifizierte Guides geschehen... So sahen noch ein paar weitere "Quellen" aus - einmal kurz vorm Ende des Aufstiegs von Pedra Longa und einmal in der Nähe von Portu Mudaloru. Bearbeitet 2. März 2023 von Capere Trekkerling und baskerville reagierten darauf 2 SUL Wandern / Trekking - <4.6lb / 2.08kg: https://lighterpack.com/r/um0g9u
Capere Geschrieben 3. März 2023 Autor Geschrieben 3. März 2023 Nach dem vielen Negativen, zeigt mein Video nun vor allem die schönen Seiten: https://youtu.be/kM7J9IJIIpo Insgesamt schon eine spannende Ecke und wenn man die zwei gravierenden, nervigen Stellen anders gestaltet (betrifft etwa 8km gesamt), würde mein Fazit sicher auch anders ausfallen. Trekkerling, Schwarzwaldine und trekkingBär reagierten darauf 3 SUL Wandern / Trekking - <4.6lb / 2.08kg: https://lighterpack.com/r/um0g9u
Capere Geschrieben 27. März 2023 Autor Geschrieben 27. März 2023 (bearbeitet) Da ich ein paar mal per PN (hier bzw. Instagram) gefragt wurde, gibt's hier auch noch eine Lighterpack Liste:Selvaggio Blu - UL: 8.66lb/3.93kg Hatte mit dem Rainbow Li 1 ein für meine Verhältnisse vergleichsweise schweres Zelt dabei, aber wollte es einfach mal testen. Zitat Achtung! Mein Abseilsetup (30m RAD Line + BealEscaper) ist absolut minimalistisch und entspricht NICHT 100% der gängigen Lehrmeinung. Es hat mir für die Situationen auf dem Selvaggio gereicht, weil ich es clever eingesetzt habe und die notwendige Expertise besitze! Für die meisten sind aber 2x 60m (Halb-)Seile deutlich komfortabler und mit weit mehr Sicherheitsreserve. Ich würde zudem niemanden raten auf einen Helm zu verzichten - das Steinschlagrisiko ist bei diesen Felsen und den ubiquitär vorhandenen Ziegen vollends gegeben. Bearbeitet 27. März 2023 von Capere SUL Wandern / Trekking - <4.6lb / 2.08kg: https://lighterpack.com/r/um0g9u
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