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Ultraleicht Trekking

(Ungeplant) Kurze Tour auf dem Albsteig / Hauptwanderweg 1 + 5 Tage Steinernes Meer


Empfohlene Beiträge

Geschrieben (bearbeitet)

Eigentlich hatte ich ja geplant, den Albsteig/HW1 weitestgehend komplett von Donauwörth nach Tuttlingen zu wandern, aber eine Mischung aus Pech mit dem Wetter, fehlenden Skills, umständlichen Corona-Regeln und allgemeiner Genervtheit haben die Tour dann rapide gekürzt.

Der kleine Campingplatz vom Kanu-Club Donauwörth ist auf alle Fälle eine Empfehlung wert. Geniale Lage an der Wörnitz, der Ausblick vorm Zelt sagt alles:

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Nach Monaten Sport- und Anstrengungsverbot ist mein Rücken etwas lädiert, deshalb habe ich das UL-Baseweight mit 900g Zusatzgewicht kaputt gemacht und mich fürs Glamping entschieden. Am Tarp sieht man auch die neu angebrachten Abspannungen für die halben Beaks:

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Ich war vor 10 schon selig entschlafen, entsprechend früh auch wieder auf. Gemütliches Frühstück in der Dämmerung mit Blick auf Enten und einen Fischreiher, und dann gings genauso gemütlich los zum Startpunkt in Donauwörth.

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Der Weg führt am Anfang viel durch Wiesen und am Waldrand entlang. Das meiste davon sind normale Feldwege, erst mit zunehmender Entfernung von Donauwörth kam auch der ein oder andere kurze Single Trail dazu.

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Es lief eigentlich wie am Schnürchen, entgegen aller Befürchtungen ob der langen Untätigkeit. Pünktlich zum Mittagessen hatte ich schon Haarburg hinter mir gelassen und gönnte mir in der Waldschänke einen Sauerbraten mit Spätzle und Kartoffelknödel. Hier fielen dann auch schon die ersten Regentropfen als Vorbote des kommenden. Bis Mönchsdeggingen hat sich das Wetter aber erst mal wieder beruhigt, so dass ich frohen Mutes weiter lief, den Fokus auch auf dem Wasserstand in meinen Flaschen, der genauso niedrig wurde wie der Netzempfang am Smartphone.

In der Nähe des "Ursprung" gabs dann einen Bach, an dem mein Micro Squeeze zum Einsatz kam, und als der Weg mal kurz aus dem Wald raus führte, habe ich die Gelegenheit für eine Kaffeepause genutzt. Es trieben zwar immer wieder Fetzen von dunkleren Wolken vorbei, aber es sah eigentlich alles ganz gut aus für einen langen Wandertag. Erst kurz vor Christgarten änderte sich das mit einem Schlag, und ich schaffte es gerade noch bis zu den Bäumen beim geschlossenen Gasthaus dort um mich unterzustellen, bevor die Schleusen richtig aufgingen und es so richtig gewitterte. Zum ersten Mal dachte ich darüber nach, mein Tarp aufzustellen, aber eine geeignete Stelle war dort nicht zu finden. Also habe ich das Gewitter abgewartet und mich wieder auf die Socken gemacht.

Kurz hinter Christgarten ging es dann durch ein Wildschweingehege. Dass es mehrere Kilometer im Wald hoch auf einen großen Hügel und dann wieder runter gehen würde hatte ich so nicht auf dem Radar. Kurz vor der Hälfte fing dann der Regen wieder so richtig an, so dass der Dreck vom Boden wieder 20cm hoch spritzte. Schon nach kurzer Zeit boten auch die Bäume keinen Schutz mehr, so dass Rumstehen keine Option war. Also weiter durch den Matsch. Nach ein paar Minuten wäre ich fast von einer Rotte Schweine umgerannt worden, die kreuzten meinen Weg 3m vor mit im Gallopp, machten eine Vollbremsung, starrten mich kurz an und schossen dann grunzend um so schneller weiter in eine Gruppe junger Fichten. Das war zumindest ein Highlight in einer relativ unangenehmen Situation.

So gegen 18:00 war ich dann endlich durch das Gehege durch, und der Regen wurde nicht leichter. Ich hielt Ausschau nach einen passenden Platz fürs Tarp, aber hier im Wald war irgendwie nichts, was mir passend erschien. Alles war ziemlich ausgedünnt und von Maschinen zerfurcht, uneben und mit Wurzeln durchzogen, und an den höheren Bäumen waren mir viel zu viele dürre Äste. Kurz vor Schweindorf führte der Weg wieder aus dem Wald und am Rand entlang. Hungrig und langsam etwas Müde hatte ich dann keine Lust, durch das einen Meter hohe, ungemähte Gras zu stapfen. Weit und breit was aber nichts wirklich gemähtes zu finden, und der Wind blies jetzt schon ziemlich mies. In etwa einem Kilometer habe ich dann eine Hecke erspäht, die Windschutz bieten würde, und mich dorthin aufgemacht. Vor dem vorderen Zipfel war eine Wiese, die vergleichsweise kurz war (30cm), und ich war mir nicht sicher, ob sich etwas besseres finden würde.

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Hohes Gras frisst Innenraum beim Tarp-Aufbau als Halbpyramide, das war mir so nicht bewusst. Es gewitterte wieder leicht, als ich endlich alles so weit aufgebaut hatte und mir eine Portion Nudeln kochte. Handyempfang hatte ich hier nur marginal, also gab es nicht viel, das ich tun konnte. Um 9 kroch ich ins Bivvy, und der Regen prasselte aufs Tarp.

Ich wurde nachts wach weil es so leise war. Tatsächlich hatte der Regen aufgehört. Ich freute mich kurz, machte die Lampe an um zu schauen ob alles noch richtig steht, da verflüchtigte sich die Freude. Überall waren Schnecken. Überall. Auf der Außenseite des Tarps genau wie auf der Innenseite. Auf dem Bivvy. Auf den Schuhen, die ich aufgehängt hatte. Auf den Abspannschnüren waren Schnecken, und der Rucksach klebte voll davon. Es war mein persönliches Armaschneckon.

So verbrachte ich eine Stunde damit, Schnecken mit meine Plastiklöffel zu entfernen und weit weg zu werfen bevor ich halbwegs beruhigt wieder ins Bivy und unter den Quilt kroch. Danach folgten wirre Träume von aggressiven Schnecken, die mir die Bänder am Rucksack durchgefressen haben. Um 4:30 fing es an zu dämmern, und ich wachte auf um die zweite braune Welle von meinen Habseligkeiten zu klauben.

Es gab an dem Morgen kein Müsli, nur ein Snickers. Kaffee ja, den konnte ich mit dem Stiel des Löffels umrühren. Es regnete noch immer leicht, und es hatte auf etwas über 10°C abgekühlt. Und meine Zusatzabspannungen waren ausgerissen, was im Nachhinein nicht so überraschend ist. So ganz kann ich trotzdem noch nicht erklären, wie es zuging, dass ich beim Versuch reinzukriechen das ganze Tarp genau so kippte, dass die Nässe schön gleichmäßig ins geöffnete Bivy und auf den Quilt tropfte. Örks. Zumindest dachte ich daran, vor dem Anziehen in die Schuhe zu schauen und konnte das Mistvieh von Schnecke noch rausschütteln bevor ich meinen Fuß rein steckte.

Es half aber nix. Einpacken musste sein, jetzt mit deutlich feuchtem Quilt, den ich heute irgendwie würde trocknen müssen.

Ich stapfte zurück zum Trail und durchs hüfthohe Gras am Waldrand entlang. Immerhin ging es dann irgendwann in den Wald und der Regen flaute ganz ab.

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Die eigentlich schönen Pfade waren durch Maschinen gut durchpflügt, und ich patschte und schlitterte durch den Matsch, hoch auf den Ohrengipfel, auf dem mal vor langer Zeit eine Aussichtsplattform stand von der man das Ries überbliecken konnte, die aber leider nicht wuchs, die Bäume drum herum aber schon, so dass die einzige Aussicht bald die Baumgipfel waren. Ohne Regen legte ich dann die letzten Kilometer nach Bopfingen zurück. Bei eine Stück Erdbeerkuchen mit Sahne und einem Cappucchino überlegte ich, wie es weiter gehen sollte.

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Der Wetterbericht stimmte nicht wirklich optimistisch, und die Langzeitprognose der NOAA noch weniger. Regen und Gewitter, und die Zugrichtung des Tiefs sollte über Tage perfekt ab Albtraum entlang führen. Der Quilt musste getrocknet werden, also brauchte ich einen geschützten Platz, am besten eine Pension. Das wäre in nicht-Corona-Zeiten einigermaßen unkompliziert gewesen, heute war aber alles unheimlich kompliziert. Testangebote haben oft nur noch Stundenweise offen und sind zehn Kilometer entfernt, und erschwingliche Zimmer waren nicht gerade üppig gesäht. Und da war ja noch der Schneckenschleim auf allen meinen Sachen.

Nach einer Stunde, und als der Regen wieder anfing, hatte ich dann die Nase voll. Der Bahnhof war nicht weit. Erst mal nach Hause, das Zeug trocknen und waschen, und nebenbei einen neuen Plan schmieden, das fühlte sich nach der besten Option an.

Am ersten Tag bin ich ca. 44km gewandert, am zweiten noch 15, und das ohne Muskelkater oder schmerzende Füße. Dank Hirschtalg war auch die Nässe kein Problem für das Gehwerk. Ich hätte doch meinem ersten Instinkt folgen und das Duplex mitnehmen sollen, dann wäre ich vermutlich am Abend schon bei Aalen gewesen. Aber was solls. Ich habe wieder ein paar Sachen dazu gelernt, so gesehen war es kein kompletter Fail, und manche Abschnitte waren echt schön.

Der Wetterbericht ist optimistisch, dass das Tief überwiegend nördlich der Alpen vorbei zieht, deshalb gehts jetzt für eine Nacht nach Saalfelden und dann für mehre Tage hoch auf eine Hütte am Steinernen Meer, wo ich mir die Zeit mit Touren auf die vielen kleineren Gipfel vertreibe, auf denen ich noch nicht war. Dann gehts vermutlich etwas südlicher weiter, aber die Details buche ich, wenn die Wettervorhersage etwas sicherer ist. Immerhin gelte ich ab Freitag in Österreich als geimpft (22. Tag nach Erstimpfung), und mein Test gilt 48 Stunden, nicht nur 24 wie hier, was das Reisen unheimlich entspannt. Auf den deutschen Hütten sind gerade alles elendiglich kompliziert und eine Buchung für Einzelpersonen teilweise unmöglich.

 

Bearbeitet von BitPoet
Fipptehler und Zeitreisen korrigiert
Geschrieben

Ganz wichtig: Klappstühle zählen nicht zum Base Weight !! :mrgreen:
Außerdem ist nicht in erster Linie das Gewicht entscheidend (nur das eigene), als Religion ist das kontraproduktiv, sondern das was man persönlich zum Wohlfühlen und für das persönliche positive Erlebnis auf Tour benötigt ... wer weiß was ich alles so mitnehme (n muss) wenn ich erst mal alt, ähm, also noch äler bin bin :ph34r:
Hoffe dein Rücken ist ganz schnell wieder voll fit !!

Geschrieben

Hast du etwa meine best of aus meinem Reisebericht kopiert und hier einfach zu einer eigenen Bericht kombiniert?:ph34r::mrgreen:

Kann voll mit dir mitfühlen. Die Coronaregeln (und die andern Dinge wie matschige Wege, Schnecken, Regen, usw. ) nerven definitiv. Es ist aber schon viel besser geworden. Zu Beginn meiner Tour war es noch viel komplizierter und idiotischer. Jetzt ist es eigentlich ganz okay, aber, wie du schon schreibst, da es jetzt kaum noch Testzentren gibt, ist spontanes übernachten im ländlichen Raum, selbst in Kleinstädten, unmöglich :(

Bei den Wetter hätte ich definitiv geschaut, ob ich ein Plätzchen im Wald finde. Manchmal sind die Spuren von den Maschinen eine gute Wahl.

Wünsche dir besseres Wetter und freu mich auf die Voraussetzung.

Geschrieben
vor 6 Stunden schrieb BitPoet:

Es war mein persönliches Armaschneckon.

:-D danke dafür!

 

vor 6 Stunden schrieb BitPoet:

Um 4:30 fing es an zu dämmern, und ich wachte auf um die zweite braune Welle von meinen Habseligkeiten zu klauben.

So langsam sind die gar nicht :D.
Und Wiesen in Waldnähe sind echt fies.... Da braucht es nicht mal geregnet haben und die kommen in der Nacht raus.

Geschrieben (bearbeitet)
Am 7.7.2021 um 07:49 schrieb BitPoet:

So verbrachte ich eine Stunde damit, Schnecken mit meine Plastiklöffel zu entfernen und weit weg zu werfen

mit löffel ist schlecht werfen und solange sie in der nähe auf gleichem untergrund bleiben, habe schnecken ein gutes orientierungsvermögen und finden mit leider guter quote zueinander oder auf ihren weg zurück. man muss weit werfen und zb vom garten in den wald, dh anderes gelände mit näherem anderem minifeuchtbiotop. ich werfe an manchen tagen hunderte nacktschnecken in den wald. hand lässt sich im gras bestens abputzen.

https://www.deutschlandfunkkultur.de/dilettantismus-die-schneckenforscherin.2147.de.html?dram:article_id=291562

anwohnerInnen & besucherInnen, auch interessant. edit:

https://www.waschbaer.de/magazin/schnecken-bekaempfen-mit-oeko-tipps/

endlich mal ein anlass, das gartenwissen zu systematisieren (& letzte verbliebene *verwendung* fürs grosse binnen-I). 50 meter weit riechen, was es leckeres gibt...

Bearbeitet von hans im glueck
Geschrieben
Am 8.7.2021 um 09:12 schrieb hans im glueck:

mit löffel ist schlecht werfen und solange sie in der nähe auf gleichem untergrund bleiben, habe schnecken ein gutes orientierungsvermögen und finden mit leider guter quote zueinander oder auf ihren weg zurück

Mit meinem 22cm Kunststofflöffel geht das ganz gut, die fliegen zweistellige Entfernungen. Im langen Gras sind sie dann schon eine Weile beschäftigt. Im konkreten Fall durften sie allerdings auch noch eine Reise über die dichte Hecke machen. Angesichts der schieren Anzahl hat das aber vermutlich nicht wirklich was geändert...

Am 7.7.2021 um 09:27 schrieb TappsiTörtel:

Hoffe dein Rücken ist ganz schnell wieder voll fit !!

Danke, die viele Bewegung hat tatsächlich geholfen und mein Rücken ist wieder wie neu! Hab statt dem Arc Blast, bei dem der Hüftgurt noch Verbesserungspotential hat, wieder den ÜLA CDT über die Berge geschleppt, aber diesmal mit doppelter Lage Z-Lite drin (4 Segmente statt 2), und es war ein Unterschied wie Tag und Nacht zur letzten Tour mit dem Rucksack.

Geschrieben

Die Alterantivtour

Ich mache jetzt keinen neuen Thread auf, schließlich ist meine Bergtour ja die logische Fortsetzung meines Albsteig-Versuchs. Am Mittwoch fahre ich noch schnell testen, dann gondle ich mit der Bahn über Salzburg nach Saalfelden und gehe gemütlich zu meiner etwas außerhalb in Ramseiden gelegenen Pension Hartl. Das Zimmer ist super sauber, hat einen Balkon und ein kleines aber blitzblankes Bad. Die Pensionswirtin ist etwas überrascht, als ich ihr Angebot ausschlage, dass sie mir eine Touristenkarte für die kostenlose Bus-Benutzung ausstellt, aber ich bin an dem Tag erst 13000 Schritte gegangen, und ich bin ja im Wanderurlaub. Ich gehe nochmal zurück nach Saalfelden, kaufe mir eine Packung Duplo als Gipfelschoki und Notfallreserve, eine neue Landkarte vom Steinernen Meer (meine alte von 1998 hat Saalfelden ausgespart und der Legende geopfert) sowie 2 Schnelltests für den Fall, dass ich auf deutschen Hütten nachweispflichtig werde, und lege mich kurz vor Sonnenuntergang schlafen. Draußen geht ein unangenehmer Wind, und es ist ein Gewitter angesagt. Das kommt dann auch, aber ich kriege schon nichts mehr davon mit.


Donnerstag

Als ich um 5:15 Uhr aufwache ist alles nass, die Sonne scheint und der Dampf steigt von den Wiesen auf. Ein sehr leckeres Frühstück und einen viel zu langen Ratsch mit den anderen Pensionsgästen später habe ich bezahlt, gepackt und mache mich auf den Weg zur Peter-Wiechenthaler-Hütte. Aus grauer Vorzeit erinnere ich mich noch an einen Weg, der knapp innerhalb des Waldes an den Bergen entlang nach Nordosten bis Bachwinkl führt, und meine alte Karte hatte den auch noch drin. Trotz Wegweiser zum Weg und altem Drehkreuz finde ich mich aber auf einer weglosen Kuhweide wieder. Da das Milchvieh sehr entspannt herumliegt, stapfe ich eine Weile auf und ab und halte Aussschau nach dem Weg. Irgendwann glaube ich, dass ich ihn gefunden habe, und folge ihm. Leider wird der Weg immer sumpfiger und die Huftritte immer tiefer. Nach 20 Minuten muss ich mir eingestehen, dass hier nichts zu holen ist, und dann empfiehlt mir auch noch ein Schild vom Österreichischen Militär ganz nachdrücklich, die Wiesen hier nicht zu betreten. Ich steige zum Weidezaun ab und quäle mich noch mal 10 Minuten durch tiefen Matsch, bis ich etwas unter mir eine Aussichtsbank samt zugehörigem Pfad zurück in die Zivilisation erspähe.

Ich folge dann dem Radweg weiter bis zum Parkplatz Bachwinkl, wo endlich der Aufstieg zur Hütte losgeht. Die Wolken über mir werden schon wieder dichter und es ist ziemlich schwül, aber der Weg ist angenehm zu gehen und gut in Schuss.

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Die Höhenmeter schießen nur so nach oben, und obwohl ich ausgiebig Pausen mache, bin ich kurz vor Mittag schon oben. Die letzten 5 Minuten gehe ich tatsächlich noch im warmen Sommerregen. Auf der Hütte werde ich von der Wirtin Christiane freundlich empfangen und bin flugs eingeschekt. Ich bin allein im 2er-Zimmer und soll es auch bleiben. Ich gönne mir eine leckere Speckknödelsuppe während draußen die Schleusen aufgehen und die nach mir ankommenden fast wieder den Berg herunterspülen. Die Hütte ist vor 2 Jahren toll renoviert, mit einem lauschigen, modernen Gastraum als Anbau mit Panorama-Fenstern nach Süden und Westen so dass man weit auf den Alpenhauptkamm mit seinen vergletscherten Nordhängen und näher auf die östlichen Tiroler Alpen schauen kann.

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Für eine Tour am Nachmittag ist es zu schmuddelig, deshalb verbringe ich viel Zeit auf der Terrasse unter dem Vordach, studiere den Wetterbericht und überlege mir, wie es die nächsten Tage weiter geht. Auch bei schlechtem Wetter ist die Aussicht hier famos.

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In der Nacht gewittert es wieder, aber ich bekomme davon nichts mit. Mein 13°C-Schlafsack und mein geliebtes S2S-Kissen sind perfekt für die Hütte, und die Matratze ist fest.


Freitag

Die Nachwirkungen des vielen Regens hängen heute noch in der Luft und auf dem Boden. Gleich auf der anderen Seite des Alpenrands, nur 50km Luftlinie, ist wohl fast die Welt untergegangen, aber hier war es ein normales, intensives Sommergewitter. Für Ausflüge in schwieriges Terrain ist es trotzdem noch zu nass, deshalb beschließe ich beim Frühstück, durchs Steinerne Meer zum Kärlingerhaus am Funtensee zu gehen. Dort bin ich seit gefühlten Ewigkeiten einmal im Jahr, so dass es schon fast ein Ritual ist, dort vorbei zu schaun. Natürlich verratsche ich mich noch viel zu lange, so dass es schon nach 9 ist als ich endlich los komme. Von der Hütte aus geht es erst einmal eher flach unterhalb des Persailhorn und Ahlhorn am Hang entlang, bevor der Weg zunehmend steiler zur Weißbachscharte bis auf 2261 hoch führt. Fast steige ich auf einen Salamander, der regungslos in einer kleinen Nische in einer Stufe posiert.

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Der Weg hier hat ein rotes Pünktchen, ist also als mittelschwer eingestuft. Ich muss ein wenig schmunzeln, denn es hat einige Seilversicherungen an ausgesetzten Stellen, Geröll und nicht ganz einfache felsige Stufen. Näher am touristischen Wahnsinn des Königssees wäre er tiefschwarz.

Nach einer kurzen Pause auf der Scharte um die Aussicht zu genießen geht es dann zackig wieder 100hm über Geröll und fein drapiertes Blockwerk runter zum Praterstern, dem Wegkreuz, an dem zu den 3 Hütten im Steinernen Meer verzweigt wird: dem Ingolstädter Haus, dem Riemannhaus und dem Kärlingerhaus. Letzteres liegt gerade voraus, und der Weg führt quer durch die Karstwüste. Rund herum liegen gefrorene Wellen aus Kalkstein, und in langen Jahrtausenden hat das Wasser tiefe Furchen hinein geschnitten. Dazwischen finden sich noch Reste des Winters, aber Sonne und Regen macht ihnen jetzt langsam den Garaus. Dort wo Gras und Blumen wachsen ist die Humusschicht nur dünn, und eine Herde genügsamer Schafe tut ihres dazu diese Mondlandschaft zu erhalten. Ihr Blöken ist über Kilometer zu hören.

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Mein Weg windet sich angenehm über den rund geschliffenen Fels dahin. Es braucht gute Sohlen, dann fliegen die Füße über den Untergrund und finden nur durch Reibung ihren Halt.

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Zwischendurch muss ich einen kleinen Umweg über den Schrofenhang machen, weil auf dem Steig eine Schafmama ihren zwei oder drei Tage alten Nachwuchs bewacht und mich das mit nachdrücklichem Huf-Klopfen und tiefem Mähen wissen lässt.

In langsam Auf und Ab durch bizzarre Felsen und vereinzelte, knorrige Überreste von Bäumen geht es langsam tiefer, bis ich mich nach einer knappen Stunde dem Hirschtörl nähere, wo ich auf den Weg vom Hundstodgatterl einschwenke, der ins Wimbachgries, das wieder eine ganz andere Art von Wüste ist, hinüber führt. Ich gehe weiter durch lichten Wald und lege die letzten 200hm über einen schlüpfrigen Steig zurück. Kaum verlasse ich die Bäume, füllt sich die Luft mit dem Pfeifen der Murmeltiere. Die regenreichen Wochen haben ihnen gut getan. So wohlgenährt sehen sie in anderen Jahren erst im August aus.

Wohlgenährt fühle ich mich auch nach einer guten Portion Bratkartoffeln mit Spiegelei und einem hochgradig isotonischen Radler. Die Sonne ist mir heute leider nicht wohl gesonnen und lässt den Funtensee im Schatten liegen. Trotzdem ist es ein Postkarten-Motiv.

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Nach ein wenig Fachsimpelei über die verschiedenen Wege und Berge in dieser Ecke mit einem anderen "Wiederholungstäter", und gestärkt und etwas leicht im Kopf von einem leckeren Stammgästeschnapps (vielen Dank, Marion!) mache ich mich wieder auf die Socken. Es ist schon 14:30, und um 17:50 wartet ein Schnitzel auf mich. Die offizielle Gehtzeit sind 3:30, und ich bin ja im Moment nicht gerade fit. Zum Glück fallen mir mangels Training nur die Aufstiege etwas schwerer. Zurück sind es etwa 800m davon, und 700m wieder runter. Trotzdem muss ich zwischendurch nochmal etwas mit den Schafen plaudern. Denen geht Corona z.B. komplett am Fell vorbei, und von Maskenfplicht haben sie noch nie etwas gehört. Zwei weiße Lämmer hüpfen wild im Kreis umeinander von Fels zu Fels und haben eine riesen Gaudi dabei während Mama Schaf versucht, die beiden weiter vom Weg weg zu locken. Warum nur muss ich gerade an meine beiden kleinen Neffen denken?

Die letzten Meter hoch zur Scharte muss ich dann ein wenig schnaufen, und als ich oben bin, kommt auch die Sonne raus. Trotzdem lasse ich die Füße laufen so gut es geht und komme auch mit fast 15 Minuten Puffer an der Hütte an. Das erste Radler verdunstet auf dem Weg vom Glas in den Mund, und die zwei Schnitzel sind super lecker. Für die Nachspeise, ein Eis mit Himbeeren, habe ich leider keinen Platz mehr, aber ein Espresso geht immer.

Nach einer lohnenswerten Investition von 3€ in eine Duschmarke bin ich dann auch wieder olfaktorisch präsentabel. Ich plausche noch mit anderen Gästen, schaue mir den Sonnenuntergang bei einem leckeren Glas Wein an und krabble als es dunkel wird glücklich und müde in meinen Schlafsack.

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Ich hatte ursprünglich 3 Nächte hier gebucht, aber es wäre kein Problem, auch etwas länger zu bleiben. Während ich langsam in den Schlaf sinke, steigt die Überzeugung, dass ich das tun sollte. Seit Jahren bin ich eigentlich immer auf Tour von Hütte zu Hütte, oder von einem Platz fürs Zelt zum nächsten. Am selben Ort zu bleiben und Abends wieder dorthin zurück zu kommen fühlt sich schon fast fremd an, aber hier taugt es mir. Die Hütte, das Team dort, und die Gäste, das ganze Paket stimmt, und vielleicht ist ja gerade jetzt ein guter Zeitpunkt auch mal symbolisch zu entschleunigen.

 

Fortsetzung folgt.

Geschrieben

Samstag

Der Wetterbericht hat Kaiserwetter angesagt, und genau so kommt es auch. Ich schnappe mir schon vor der offiziellen Frühstückszeit einen Kaffee, ratsche mit der Hüttenwirtin und genieße die Aussicht auf die glühenden 3000er im Süden während sich der Nebel im Tal langsam auflöst. Es verspricht ein warmer Tag zu werden, heute zeigt das Thermometer an der Hauswand vor 6:00 Uhr schon 18°C an, also brauche ich nicht zu viele Klamotten mitzunehmen. Eigentlich fungiert der Rucksack heute nur als Halterung für die Wasserflaschen, das Handy und die Kamera.

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Besser könnte das Wetter für eine Gratwanderung nicht sein. Es geht hoch auf das Persailhorn und von dort weiter aufs Mitterhorn auf dem Saalfeldener Höhenweg, und dort zweige ich dann nach Norden und folge dem Kamm bis zur schon bekannten Weißbachscharte. Vier offizielle Gipfel liegen dabei auf dem Weg, das Persailhorn mit 2347m der Hausberg der Hütte, dahinter das Mitterhorn mit 2491m, und nördlich davon das Ahlhorn 2467m und der Schartenkopf mit 2308m. Zuerst geht es ein Stück hoch durch Latschenfelder, über denen schroff und imposant das Persailhorn thront. Es gibt drei Wege hinauf, im Norden der Wildentagsteig und im Süden der Südwandsteig sind offizielle Sportklettersteige im Schwierigkeitsgrad C (offiziell B/C), entsprechend trifft man viele Wanderer mit Helm und Set. Ich wollte das Gewicht nicht herum schleppen und nehme den Normalweg, was aber keinesfalls bedeutet, dass ich nicht Hand an den Fels legen darf. Etwas links vom Einsteig geht es steil über geneigte Bänder und hohe Stufen. Auch hier sichern Stahlseile die ein oder andere bei Feuchtigkeit knifflige Stelle, so mancher Schritt ist nur mit Reibung zu meistern, und es macht durchaus Sinn den Hintern nah am Hang zu halten. Ein paar Bergdohlen kreisen über mir und kommentieren meine Bemühungen.

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Nichts bringt einen mehr ins Hier und Jetzt als solche Touren, auf denen jeder Schritt sitzen muss, jeder Handgriff erst mal prüfen muss, ob der Fels auch hält. Links und rechts geht es fast senkrecht hunderte Meter hinab, so dass ausrutschen das letzte wäre, was man macht. Ab und an erhasche ich Blicke in einen der Klettersteige, wo sich andere mit viel Kraft an den Seilen hochziehen. Auf der Normalroute bin ich fast allein unterwegs und brauche mir keine Gedanken darüber zu machen, ob ich mir unter dem Stahlseil die Finger einklemme. Die Sonne strahlt, der Blick wandert immer mal wieder, und meine Mundwinkel schmerzen fast vor lauter Grinsen. Freiheit intravenös. Hier sind nur der Fels und ich, alle anderen Gedanken perlen von mir ab, und ich merke wie ich tiefer atme, stärker rieche, schärfer sehe.

Viel zu bald schon zweigt der Südwandklettersteig wieder auf den Grat und es sind nur noch wenige Meter bis ich punkt 10 Uhr am Gipfel mit seiner oft fotografierten Madonna ankomme, die über Saalfelden wacht. Von hier kann das Auge weit schweifen und alle prominenten Gipfel der Berchtesgadener und Salzburger Alpen erspähen, vom Hundstod und Watzmann bis zum Hochkönig, dazwischen die Königsseer Bekannten wie Schneibstein und Feuerpalfen, sowie Funetenseetauern und die Schönfeldspitze, mit der ich wetterbedingt noch immer eine Rechnung offen habe.

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Es geht nur knapp hundert Höhenmeter hinunter bevor mich die Markierungen zum Mitterhorn hoch führen. Der Wind frischt jetzt etwas auf, und wieder dürfen die Hände an den Fels. Fast durchgängig geht es auf dem kantigen Grat hoch, und die Zeit vergeht wie im Flug.

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Ich zweige Richtung Scharte ab und gehe und klettere weiter auf und ab. Kurze, grasige Flächen laden zu einer kurzen Rast ein, dann geht es wieder auf und ab über schroffe Türme aus Fels. Immer wieder öffnet sich der Blick weit über das Steinerne Meer.

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Ich blicke zurück vom Ahlhorn und mache eine ausgedehnte Mittagspause mit Banane und Duplo, lasse mir die Sonne auf den kaum noch vorhandenen Pelz scheinen und genieße mit allen Sinnen. Etwas unter mir zischt ein Segelflugzeug auf der Suche nach Thermik ein paar mal vorbei, findet aber kaum welche und dreht dann in Richtung Leogang ab, wo die Aufwinde besser zu sein scheinen. Meine Mundwinkel fangen tatsächlich an zu schmerzen. Hier oben zu sein, nur durch eigene Muskelkraft an diesen perfekten Platz gehoben, ist ein unbezahlbares Privileg, und für einen Augenblick treibt es mir Tränen in die Augen. So viel Anspannung, die ich schon gar nicht mehr gespürt habe, fällt von mir ab, Zukunftsängste und Druck, meine Ziele zu erreichen, sind plötzlich auf einen Schlag weg und machen Platz für intensive Momente.

Nur widerwillig raffe ich mich wieder auf, aber schnell bin ich wieder im Fluss, ziehe mich hoch, genieße die zwei oder drei Stellen, an denen ich mich sogar dynamisch über senkrechte Stufen nach oben schwingen darf während Schwebfliegen neugierig mein rotes Shirt untersuchen. Immer wieder sieht es so aus, als ob ich bald das Ende des Grats erreicht habe, aber zum Glück kommt noch ein Türmchen, und noch eins, bis ich die letzte markierte Erhebung erreiche. Vom Schartenkopf sind es nur noch drei kleinere Türmchen, und dann bin ich tatsächlich am Wegweiser angekommen und es geht nur noch bergab zurück zur Hütte.

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Ich fliege zurück, meine Fußsohlen jetzt so viel sicherer als noch am Tag zuvor, und bin vor 15:30 schon wieder zurück, trotz vieler Pausen um die Aussicht zu genießen.

Auf der Terrasse bin ich bald in Diskussionen um Touren und Schwierigkeiten vertieft, und die Zeit vergeht auch hier wie im Flug. Nach einer wunderbaren Dusche und einer fantastischen Lasagne plane ich die nächsten Tage. Ich werde definitiv noch zwei Nächte dran hängen. Ab Dienstag Abend soll das Wetter ziemlich unangenehm werden, aber die Zeit bis dahin will ich noch bis zum letzten Moment auskosten.

Geschrieben

Das ist ein schöner Aspekt von vielen Wandertouren: Dass man die Gegend dermaßen nach Wetterbericht / -vorhersage ändern kann!

Magst du nicht doch noch den Titel des Treads ändern? Albsteig ist, je nachdem was du als Fortsetzung planst, etwas irritierend... wer weiß, vielleicht kommt ja noch die Mecklenburgische Seenplatte dran... je nach Wetterlage...

Geschrieben

"eigentlich alpsteig". das war doch klar, dass stattdessen was mit richtigen bergen kommt:

Am 7.7.2021 um 07:49 schrieb BitPoet:

Eigentlich hatte ich ja geplant

:D

  • khyal änderte den Titel in (Ungeplant) Kurze Tour auf dem Albsteig / Hauptwanderweg 1 + 5 Tage Steinernes Meer
Geschrieben
vor 11 Stunden schrieb BitPoet:

Hier oben zu sein, nur durch eigene Muskelkraft an diesen perfekten Platz gehoben, ist ein unbezahlbares Privileg, und für einen Augenblick treibt es mir Tränen in die Augen. So viel Anspannung, die ich schon gar nicht mehr gespürt habe, fällt von mir ab, Zukunftsängste und Druck, meine Ziele zu erreichen, sind plötzlich auf einen Schlag weg und machen Platz für intensive Momente.

Man, Du bist wirklich ein Poet, gefällt mir sehr! 

Geschrieben
Am 7.7.2021 um 10:50 schrieb mawi:

da es jetzt kaum noch Testzentren gibt, ist spontanes übernachten im ländlichen Raum, selbst in Kleinstädten, unmöglich

keine Ahnung, wie jetzt gerade die Regeln sind, und inwiefern das von Bundesland zu Bundesland variiert, aber als ich vor 2 Wochen auf dem Westweg war, galt für Hotels noch die "3-G-Regel". Es war aber möglich, einfach eine Testkit mitzubringen und sich vor Ort damit zu testen. Das haben einige, die ich getroffen habe, auch so genutzt.

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