In der Antwort auf die erste Frage taucht bei Florian Wagner schon das Wort "Effizienz" auf (" Ich versuche, mein Geld effizienter einzusetzen. Also die gleiche Freude für weniger Geld."). Durch Effizienz wird ein Less is more ermöglicht. Der Minimalismus ist ein Maximalismus. Die wenigsten Minimalisten wollen um ihrer Selbstwillen verzichten, sondern weil sie dafür etwas bekommen wollen - so auch er. Wenn man eine Weile sparsam lebt, kann man mit 40 die Rente antreten.
Im Prinzip ist das ein äußerst kapitalistisches Denken. Bei Max Weber wird schon die Verbindung zwischen innerweltlicher-asketischem Berufsethos (der protestantischen Ethik) und dem Aufkommen von modernen kapitalistischen Wirtschaftsformen aufgemacht. Die gesteigerte Produktivität protestantischer Gemeinschaften ergibt sich aus der ständigen Reinvestition des bereits Akkumulierten. Waren die protestantischen Gemeinschaften allein darauf bedacht eine Vergütung im jenseits (more) für ihr Tun im diesseits (less) zu bekommen, so ist das diesseits von Florian Wagner die Zeit vor dem 40ten Lebensjahr und das Jenseits die Zeit nach dem 40ten Lebensjahr. Seine Reinvestition des bereits Akkumulierten soll in Aktien (Bsp.: ETF-Fonds) geschehen, die dann "weiterarbeiten", die dann ein "passives Einkommen" generieren.
Für das "passive Einkommen" müssen Aktienkurse steigen -> Wachstum. Da nicht nur Maschinen hinter den Firmen stehen, an denen man Aktien-Anteile besitzt, sondern auch Menschen, lässt man im Prinzip andere Menschen für sich arbeiten. Natürlich hat man eine Zeit lang hart und entbehrungsreich gearbeitet, um nach einer sehr intensiven Zeit des Arbeitens, quasi nicht mehr arbeiten zu müssen, aber lebt man am Ende nicht doch davon, dass andere für einen Arbeiten? Ist das ganze dann nicht eine sehr egoistische Angelegenheit? Sollte es nicht eher um eine Welt gehen in der alle in angenehmeren Arbeitsverhältnissen sind? Es geht bei ihm doch mehr um eine individuelle Vision als um eine globale bzw. gesamtgesellschaftliche Vision.
Die gleichen Vorwürfe kann man auch gegen die Tiny-House-Bewegung anbringen. Zudem kann man noch fragen, was machen die die nicht in der Lage sind die Selbstbeschränkung mitzugehen. Wenn für junge Leute der Wohnraum zu teuer ist, dann ist es für sie eine Option in so eine Behausung zu ziehen, aber was machen Alte und Kranke. Will man diesen Menschen wirklich ein Leben auf dem Campingplatz zumuten?
Außerdem kann man nach einer Dialektik der Selbstbeschränkung fragen. Amortisiert sich der individuelle Vorteil der Selbstbeschränkung nicht, wenn alle die gleiche Selbstbeschränkung durchführen? Gedankenexperiment: Zuerst richten sich einige Wenige in einem Leben auf kleinem Raum ein, wodurch man mit wenig Miete auskommen kann und das leben günstiger ist, bald aber übernehmen alle dieses Lebensmodell und kommen auf wenig Raum aus und der Vorteil ist dahin. Diesen Mechanismus kann man auch auf Technologien beziehen. Beispielsweise kommt man schneller von a nach b, wenn man ein Pferd, Rad, Bahn, Auto oder Flugzeug nimmt, aber wenn dies alle tun, dann ist der Vorteil dahin und es entsteht ein Standard, der erwartet wird.