Wir reden oft über „Skills“ – über erlernbare Fertigkeiten. Geschickter Umgang mit Gelände, Schlafplatz, Equipment usw. Solche Dinge kann man in der Tat auf die eine oder andere Weise angehen und sich dabei weiter entwickeln.
Was uns oft daran hindert, sind Ängste und Glaubenssätze, die wir selbst kaum wahrnehmen und erst recht nicht in Frage stellen. Das führt zu Aussagen wie „das könnte ich freilich lernen, aber ich will ja gar nicht“. Übertrieben gesagt in etwa vergleichbar mit dem Drogenabhängigen, der sagt: „ich könnte ja aufhören, aber ich will ja gar nicht“.
Ängste, Irrglauben, Dogmen
Einige frei gegriffene Beispiele solcher Glaubenssätze könnten sein:
- Mit nassen Füßen bekommt man Blasen
- Ohne Zelt kommen Krabbelviecher in den Schlafsack
- Ohne Wechselunterwäsche stinkt man
- Es ist gefährlich, unbehandeltes Wasser zu trinken
- Ohne Frühstück kann ich nicht aufbrechen
- In ein offenes Tarp regnet es herein
- Wie sehe ich denn mit solchen Klamotten aus?
- Mit Holz kochen ist umständlich und gefährlich
- Ohne Planung geht die Tour schief
- Gut geplant ist langweilig
- Ich muss unbedingt reichlich zu Essen dabei haben
- Titan ist cool, Plastik ist doof
- usw. ...
Das Gemeine ist: wir selbst sind für unsere eigenen Glaubenssätze blind. Für uns selbst sind das objektive „Wahrheiten“. Das ist die Schere im Kopf, die alles ausschneidet, was nicht sein soll. Bei anderen lassen sich die Glaubenssätze viel leichter entdecken. Die Summe unserer Glaubenssätze definiert unsere Komfortzone. Der Bereich, in dem wir uns mühelos und ohne Bedenken bewegen können.
Ich bin davon überzeugt, dass (auch) im Ultraleichttrekking ein Abwerfen von Ballast-Glaubenssätzen die größte Erleichterung (nicht nur, aber auch in Form von Gewichtsreduktion) bringt. Die Komfortzone erweitern heißt persönlichen Handlungsspielraum gewinnen. Weniger bestimmt zu werden von Randbedingungen. Weniger zu leiden unter Dingen, die nicht so laufen, wie ich mir das vorstelle. Ein Konzept übrigens, das weit über das Thema UL-Trekking hinaus weist.
Hintern hoch! Komfortzone erweitern!
Die Schritte aus der Komfortzone heraus können ganz klein sein. Kalkuliertes Risiko. Und diese kleinen Schritte werden trotzdem unmittelbar mit dem Erfolgsgefühl belohnt: „Ich habe was ganz neues geschafft“. Das nächste Mal ein Stückchen weiter.
Daher mein Aufruf:
Hintern hoch! Komfortzone erweitern! (Und zwar die eigene, nicht die von anderen!) Das geht nur durch SELBST TUN!
- Mal einen Sonntagsspaziergang mit nassen Füßen machen
- Sich ab und zu abends in den Wald setzen und schauen, was da krabbelt
- Mit einer billig-Gewebeplane mal nachts ein Tarp improvisieren (200m entfernt vom Auto)
- Mal auf einer Wochenend-Tour etwas weniger Proviant einpacken
- Usw. usw.
Die obigen Beispiele sind leicht einsichtig und gelten vielleicht besonders für Einsteiger in unser UL-Thema. Aber auch „Alte Hasen“ haben sicherlich ihre blinden Flecken.
"Komfortzone erweitern" kann dabei individuell sehr unterschiedlich aussehen. Jeder hat andere Grenzen. Für den einen kann es bedeuten, seinen Leistungsanspruch nach oben zu schrauben. Für den nächsten genau im Gegenteil, eine Tour mit geringem Leistungsanspruch trotzdem als gelungen erleben können. Für den einen bedeutet es ein Wagnis, sich tatsächlich mal bei einer Solo-Tour sich selbst auszusetzen. Für den anderen wäre es eine wertvolle persönliche Entwicklungschance, sich auf einen ganz neuen Tour Partner einzulassen.
Wie bekomme ich nun ein besseres Bewusstsein für meine eigene Komfortzone? Eine Möglichkeit ist das Lesen hier im Forum. Immer, wenn ich denke: „oh nein, das will ich nicht“ oder „oh nein, das kann ich nicht“ - dann ist das ein ziemlich sicherer Hinweis darauf, dass ich über einen meiner Glaubenssätze gestolpert bin und an die Grenze meiner Komfortzone stoße.
Alles kann, nichts muss. Und jeder geht einen anderen Weg. Aber jeder hat die Chance, sich weiter zu entwickeln. Typischerweise dort, wo der Widerstand am größten ist. Und es gibt unglaublich viel zu gewinnen!
Auf gehts ...
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